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  • Beitrag zuletzt geändert am:26. August 2023

Was Sie schon immer über Torf wissen wollten… – Teil 4

Liebe Whisky-Liebhaber und -Genießer,

es liegt keinesfalls in meiner Absicht, Ihnen Wasser in den Wein zu kippen oder Ihnen sonst wie die Freude am Genuss eines torfigen Whiskys zu nehmen. Doch die Redaktion erreichen immer wieder Leserbriefe, in denen Bedenken hinsichtlich der Empfindlichkeit des Ökosystems Torfmoor und der Nachhaltigkeit jener Ressource laut werden, die das unvergleichbare Aroma und den einzigartigen Geschmack in unserem peated Whisky ausmachen: Torf. Nicht wenige – so scheint es – machen sich angesichts der Diskussionen um Klimaschutz, Artenvielfalt, Ressourcenknappheit und Nachhaltigkeit Gedanken über Torf und darüber, ob man noch mit gutem Gewissen einen getorften Whisky zu sich nehmen kann. Nun, vielleicht mag das für den ein oder anderen ein bisschen zu weit gedacht sein. Aber das Thema Torf und seine Verwendung für die Whisky-Industrie gerät zusehends in den Fokus der Öffentlichkeit und wird auch schon von Regierungen ins Auge gefasst.

Netto-Null-Emission

Um den Klimawandel zu bekämpfen, die Natur zu schützen und die Ressourcen für künftige Generationen zu erhalten, hat sich die britische Regierung auf die Fahne geschrieben, bis zum Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Schottland will dies bereits fünf Jahre früher schaffen. Die Scotch Whisky Association (SWA) hat im Jahr 2021 eine ehrgeizige Nachhaltigkeitsstrategie festgelegt, indem sie bis 2040 in ihren eigenen Betrieben Netto-Null-Emissionen erreichen will. „Durch die enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern, Regulierungsbehörden, Innovatoren und anderen Wirtschaftszweigen kann Scotch Whisky im Mittelpunkt des Plans zum Schutz der einzigartigen schottischen Umwelt stehen und gleichzeitig eine moderne, wettbewerbsfähige und erfolgreiche Branche bleiben, die den besten Whisky der Welt herstellt“, heißt es entsprechend auf der SWA-Website.

Verantwortungsvoller Umgang mit Torf

Neben der Nutzung erneuerbarer Energiequellen, der Senkung von Treibhausgasemissionen und einem verantwortungsvollen Umgang mit Wasser, hat sich die SWA zum Ziel gesetzt, den wichtigen Rohstoff Torf verantwortungsvoll abzubauen und bis 2035 eine aktive Rolle bei der Erhaltung und Wiederherstellung der schottischen Torfgebiete zu spielen. Denn degradierte Torfgebiete stoßen mehr Kohlenstoff aus, als sie abbauen, und werden so zu einer Nettoquelle von Treibhausgasen. Die Wiederherstellung von Mooren soll dazu beitragen, Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu entfernen und zu speichern, die biologischen Vielfalt zu fördern, die Wasserqualität zu verbessern und das Hochwasserrisiko zu mindern.

Torf als Kohlendioxid-Schwamm

Torfmoore absorbieren und speichern große Mengen an Kohlenstoff. Sie sind in der Lage, Kohlenstoff länger und effektiver als die Forstwirtschaft zu binden. Schottlands Torfgebiete speichern mehr als 1.500 Mio. Tonnen Kohlenstoff, was 140 Jahren der gesamten jährlichen Treibhausgasemissionen Schottlands entspricht. Ungestört wirken sie wie ein natürlicher CO2-Schwamm, der etwa viermal mehr CO2 absorbiert als eine entsprechende Waldfläche. Daher werden die Nutzung von Torf und die offensichtliche Zerstörung eines wertvollen Kohlenstoffspeichers immer umstrittener. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass der Torf in UK ausgeht, aber eine Beschränkung oder gar ein Verbot der Verwendung von Torf als Teil der globalen Ziele zur Reduktion von CO2 ist keinesfalls mehr aus der Welt.

Wie viel Torf wird für Whisky verwendet?

Im Vereinigten Königreich gibt es mehr Torfgebiete als in den meisten anderen Ländern, etwa rund 2,7 Millionen Hektar (ha, entspricht einer Fläche von 10.000 m2), von denen mehr als die Hälfte in Schottland liegt. Von diesen 2,7 Mio. ha wird nur ein winziger Teil für die industrielle Nutzung abgebaut. Torf wird vor allem als Brennstoff oder für den Gartenbau abgebaut. Auf den Gartenbau entfallen jährlich etwa 1,2 Mio. Tonnen Torf, von denen 25 % oder 300.000 Tonnen aus britischen Torfproduktionsbetrieben stammen. Der Torfverbrauch für die gesamte schottische Whisky-Industrie liegt deutlich darunter. Auf die Destillerien entfällt etwa 1 % dieser britischen Gesamtmenge, also rund 3.000 Tonnen Torf. Trotz dieses augenscheinlich geringen Anteils ist die Besorgnis über die industrielle Ernte von Torf gewachsen. Einer begrenzten Ressource, die – aufgrund ihrer geringen Wachstumsrate von etwa 1 mm pro Jahr – erst in Tausenden von Jahren vollständig ersetzt werden könnte.

Torfabbauverbot?

Es wurde zwar nicht behauptet, dass die Torfvorräte gefährdet sind, doch die schottische Regierung will 250 Millionen Pfund investieren, um bis zum Jahr 2030 250.000 ha Torfgebiete wiederherzustellen. Zudem ist geplant, die Verwendung von Gartenbautorf, der um die 90 % des Torfabbaus in Schottland ausmacht, zu reduzieren und schließlich ganz einzustellen. Ferner sieht die Planungspolitik vor, dass keine neuen Genehmigungen für den kommerziellen Torfabbau erteilt werden dürfen. Dies wirft die Frage auf, woher der Nachschub für die Mälzereien kommen könnte, falls die vorhandenen Torfvorkommen ernsthaft erschöpft sein sollten.

Der Spagat

Die verpflichtenden Richtlinien für die Herstellung von Scotch Whisky geben vor, dass dieser nur aus den drei Zutaten Getreide, Wasser und Hefe hergestellt werden darf. Die Zugabe von Aromastoffen oder Verbindungen, die den Geschmack von getorftem Malz im Whisky nachahmen sollen, ist nach den geltenden Richtlinien nicht zulässig. Da es laut Meinung von Experten derzeit wirklich keinen Ersatz für die Komplexität der Aromen, die im Rauch durch Verbrennen von Torf erzeugt und von der gemälzten Gerste während des Darrens aufgenommen werden, gibt, liegt es nahe, sich auf die Wiederherstellung und den verantwortungsvollen Umgang mit Torf zu konzentrieren. Bei einem Verbot der Verwendung von Torf für die Herstellung von schottischem Whisky hingegen müssen die Brennereien nach alternativen Methoden zur Trocknung von gemälzter Gerste suchen, um den einzigartigen Geschmack von Scotch Whisky zu bewahren. Im Gegensatz zum Gartenbau, wo sich bereits verschiedenste Materialien als erfolgreiche Alternative zu Torf erwiesen haben, wäre das ohne Frage eine große Herausforderung. Mögen wir davon verschont bleiben.

Ihr/Euer
Whisky-Connaisseur
Heinz Weinberger

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Dr. Heinz Weinberger

Der promovierte Chemiker und Whisky-Connaisseur Dr. Heinz Weinberger befasst sich unter anderem mit den wissenschaftlichen Hintergründen und chemischen Vorgängen rund um das Thema Whisky.