Du betrachtest gerade Was Sie schon immer über Torf wissen wollten… – Teil 1
  • Beitrags-Kategorie:Torf
  • Lesedauer:9 min Lesezeit
  • Beitrag zuletzt geändert am:26. August 2023

Dr. Heinz Weinberger

Der promovierte Chemiker und Whisky-Connaisseur Dr. Heinz Weinberger befasst sich unter anderem mit den wissenschaftlichen Hintergründen und chemischen Vorgängen rund um das Thema Whisky.

In vielen Whiskys spielen Rauch und Torf eine ziemlich große Rolle und gehören zum unverkennbaren Stil und Profil zahlreicher Brennereien sowie einiger Regionen. Für ihre Anhänger sind sie ihr ein und alles. Sie finden darin alles, was sie an vollem Genuss beim Whisky suchen: diese verqueren Aromen von Iod, Krankenhaus oder Mullbinde, die ölig-würzigen Noten von Torf, die Süße von verbranntem Karamell, den trocken-aschigen Nachklang von Ruß oder Lagerfeuer, diesen süßlichen Geruch von Räucherspeck, etc. etc. Kurzum: Für einige von ihnen kann es gar nicht torfig genug sein. Das Maß aller Dinge verkörpern für diese „Peatheads“, die vom Rauch und Torf verzaubert sind, nur drei Buchstaben: PPM! Je größer dessen Zahl, desto mehr leuchten ihre Augen. Selbst die Brennereien streben längst nach diesen Superlativen und übertreffen sich gern im Wettstreit um den höchsten PPM-Wert. Andere Whisky-Liebhaber hingegen lässt das völlig kalt. Sie können mit dieser Art von Hysterie nichts anfangen. Denn sie riechen im Glas einzig allein Teer, verbrannte Gummireifen und schmecken eher kalten Aschenbecher. „Man liebt ihn oder man hasst ihn, dazwischen gibt es nicht viel“, so könnte man torfigen Whisky trefflich beschreiben.

So weit, so gut. Doch über was reden wir eigentlich wirklich, wenn wir von Torf und Rauch beim Whisky sprechen? Whisky also, der aus Malz hergestellt wird, das über Torffeuer gedarrt und auf diese Weise mit diesen markanten, einzigartigen Aromen versetzt wurde. Und dabei muss man sich keineswegs nur auf Schottland beschränken, denn längst findet sich getorfter Whisky rund um den Globus, und seine Anhängerschaft wächst stetig. Was ist also dran am Peated Whisky? Was treibt diese Faszination für Rauch und Torf so an? Woher diese sprichwörtlichen Blüten, die es dabei eben auch treibt? Denn ob man will oder nicht. Am Torf scheiden sich die Geister. Und wohl kein Thema ist emotional mehr aufgeladen als dieses im Whisky-Bereich.

Wir werden in dieser neuen, wieder mehrteilig angelegten Reihe so viele Details wie möglich offenlegen. Vor allem wollen wir wichtige Fragen beantworten. Und derer sind es viele. Einiges was Sie, verehrte Leserschaft, hier erfahren werden, wird vermutlich neu für Sie sein. Denn ein solcher Mythos wie der vom „Torf im Whisky“ ist so tiefgründig wie die Moore, aus denen er stammt, und ihre Geheimnisse verbergen sich gern dem direkten Augenschein. Beginnen wir also mit den Mooren und ihrem Kernbestand selbst, dem Torf.

Teil 1 – Was ist Torf

Eröffnen wir unsere Aufklärungsserie insofern mit der ultimativen Frage: Was ist denn Torf? Torf lässt sich am besten als hellbraune bis schwarze, oberste organische Schicht eines Bodens beschreiben, die sich unter wassergesättigten Bedingungen aus der teilweisen Zersetzung von Moosen und anderen Moosgewächsen, Gräsern, Sträuchern oder Bäumen bildet. Na super, werden Sie jetzt sicher denken. Das geht gleich wieder in die wissenschaftlichen Vollen! Zugegeben, in der Definition steckt ziemlich viel drin. Also lassen Sie uns diesen komplexen Satz im Detail betrachten. Wassergesättigte Bedingungen bedeutet, dass die Pflanzen oder Pflanzenreste permanent mit Wasser bedeckt oder durchtränkt sind. Dadurch kann, anders als bei einem Baum oder Strauch im Wald, keine Luft an die Pflanzen herantreten. Aus diesem Grund verfaulen oder verwesen sie nicht wie ihre Artgenossen an der Luft, sondern diese Pflanzen werden durch den im Wasser gelösten Sauerstoff langsam und nur teilweise zersetzt. Man sagt, sie vertorfen. Bei diesem unvollständigen Zersetzungsprozess wird die Pflanzenmasse dabei immer ärmer an Wasserstoff und Sauerstoff. Der in den Pflanzen enthaltene Kohlenstoff hingegen wird im Moor langfristig gebunden, was letztlich zu dieser Farbveränderung nach braun bis schwarz beim Torf führt. Ist ein Gebiet mit einer mindestens 20 Zentimeter dicken Torfschicht bedeckt, spricht man bereits von einem Torfmoor.

Verschiedene Torfmoore

Doch Moor ist nicht gleich Moor. Je nach den torfbildenden Pflanzen unterscheidet man zwischen Hochmooren, Übergangsmooren oder Zwischenmooren und Niedermooren. Die Hochmoore sind in Talmulden mit undurchlässigem Boden entstanden. Dieser besteht meist aus Ton oder Lehm und begünstigt durch eben jene Undurchlässigkeit die Bildung von stehendem Wasser. Hochmoore werden ausschließlich von oben durch Regenwasser gespeist, haben einen hohen Säuregehalt und sind sehr nährstoffarm. Sie haben ihren Namen daher, dass der Torfkörper langsam, aber stetig mit einer Wachstumsrate von etwa einem Millimeter pro Jahr immer weiter in die Höhe wächst. Torflager mit einer Dicke von bis zu 10 Meter sind keine Seltenheit. Eine solche Torfschicht entspricht einem Alter von umgerechnet etwa 10.000 Jahren und stimmt in etwa mit dem Ende der letzten Eiszeit überein, nach der unsere Torfmoore in Mitteleuropa größtenteils entstanden sind. Anders als bei den Hochmooren werden Niedermoore vom Grundwasser genährt. Sie entstehen in feuchten Senken, Mulden oder in Flussniederungen und sind vergleichsweise nährstoffreich. Ihre Torfschicht ist meistens dünn, liegt direkt auf dem Mineralboden auf und wächst nur geringfügig in die Höhe. Unter geeigneten Bedingungen können sich die Niedermoore weiter zu Hochmooren entwickeln. Wenn jedoch das fortgesetzte Wachstum der Niedermoore in einem Zwischenstadium verharrt und sich nicht mehr weiterentwickelt, entstehen auf natürliche Weise die Zwischenmoore, die auch Übergangsmoore genannt werden. Sie sind durch spezifische Pflanzenarten sowie durch solche, die sich aus beiden Moortypen überlagern, gekennzeichnet.

Empfindliches Ökosystem

Unabhängig von ihrer Bezeichnung sind Torfmoore kohlenstoffreiche und äußerst empfindliche Ökosysteme. Sie kommen sowohl in tropischen und gemäßigten Regionen als auch in der sogenannten borealen Zone vor, die weite Teile Kanadas, Alaskas, Skandinaviens und Sibiriens umfasst. Torfmoore spielen eine wichtige Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf und beeinflussen somit das Klima. Denn Moore sind riesige Kohlenstoffspeicher. In Großbritannien beispielsweise speichern sie insgesamt etwa 3,2 Milliarden Tonnen Kohlenstoff und damit mehr als die dortigen Wälder. Im Vereinigten Königreich gibt es viel mehr Torffläche als in den meisten anderen Ländern: etwa 2,7 Millionen Hektar. Davon entfallen allein rund 1,8 Millionen Hektar, also mehr als die Hälfte, auf Schottland, was 23 Prozent der dortigen Landfläche entspricht. Doch nur etwa 13 Prozent der Torfgebiete befinden sich in einem naturnahen Zustand. Dies ist auf die Entwässerung für die landwirtschaftliche Nutzung, Überweidung und Brandrodung sowie auf die Entnahme von Torf für Kultursubstrate zurückzuführen. Denn nur ein kleiner Teil wird für die industrielle Nutzung abgebaut, den größten Teil der jährlichen Torfgewinnung macht der Gartenbau aus. Um dem entgegenzuwirken hat die englische Regierung am 27. August 2022 angekündigt, den Verkauf von Torf an Hobbygärtner in England bis 2024 zu verbieten. Auch das darf man sich gern mal auf der ggf. torfverliebten Zunge zergehen lassen.

Blick auf Nachhaltigkeit

Torf spielt nicht nur eine wichtige Rolle bei der natürlichen Kohlenstoffspeicherung, die in Zeiten des Klimawandels eine schützenswerte Größe darstellt. Er ist auch für die Förderung der biologischen Vielfalt von entscheidender Bedeutung. Denn nicht zuletzt sind Moore ein wichtiger Bestandteil des lokalen Wasserkreislaufs. Sie saugen das Wasser auf, filtern es und geben es langsam wieder ab. Aus diesen Gründen und angesichts der Tatsache, dass beim Abbau von Torf der im Moor gespeicherte Kohlenstoff freigesetzt wird und ergo zum Klimawandel beiträgt, hat sich die Scotch Whisky Association (SWA) entschlossen, mit gutem Beispiel für ein verantwortungsvolles Torfmanagement voranzugehen. Die SWA möchte eine aktive Rolle bei der Erhaltung sowie Wiederherstellung dieses wichtigen Lebensraums für die Flora und Fauna spielen. Auch die Brennereien in Schottland haben sich dazu entschlossen, den Einsatz von Torf zu reduzieren und ihre Kohlenstoffemissionen zu verringern. Denn aufgrund der unglaublich langen Zeit, die für seine Entstehung benötigt wird, ist Torf de facto eine endliche Ressource.

In Teil 2 der Reihe geht es dann nach Schottland mit allem Wissenswerten, wo und wie dort Torf gestochen und verarbeitet wird, um ihn schließlich in der Kiln verwenden zu können.

Ihr/Euer
Whisky-Connaisseur
Heinz Weinberger

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