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  • Beitrag zuletzt geändert am:2. Oktober 2025

Fred Blans

Fred Blans ist ein in den Niederlanden ansässiger Getränkeautor. Seit 15 Jahren interviewt er Menschen, die sich leidenschaftlich für die Destillation von Getränken und insbesondere Whisk(e)y interessieren. Sein Blog: www.legbeforewicket.nl.

Man wird die Niederlande kaum als ein Land beschreiben können, das prädestiniert wäre für Whisky. Wir haben unseren Genever. Und wir haben damit indirekt auch den Gin mit auf den Weg gebracht. Allerdings haben wir auch eine große Lieberszene für Whisky in unserem Land. Sie gehört mit in die Kulisse, wenn ich hier über niederländischen Whisky schreibe. Ohne sie wären dessen Anfänge weder denkbar noch erfolgreich gewesen. Ansonsten: Wir schreiben das Jahr 2005, als der erste niederländische Whisky auf den Markt kommt…

Us Heit – Eine Brauerei als Vorläufer

Nachdem der Limburger Aart van der Linde im Alter von 23 Jahren in Bolsward in Friesland sein Studium an der Hochschule für Lebensmitteltechnologie abgeschlossen hatte, gründet er im Jahre 1984 zusammen mit einem Freund die friesische Bierbrauerei „Us Heit“. Us Heit, zu Deutsch „Unser Vater“, ist der Spitzname des beliebten ersten friesischen Statthalters, Graf Willem Lodewijk (1584-1620).  Für die Brauerei nutzen sie eine Scheune neben Aarts Haus in Uitwellingerga. Bald stellt sich heraus, dass dieser Anbau zu klein ist, und man zieht in ein ehemaliges Fabrikgebäude von Philips in einem Industriegebiet um. Als auch dieser Raum nicht ausreicht, beschließt Aart, in die ehemalige Hochschule für Lebensmitteltechnologie in Bolsward zu ziehen, wo er selbst noch als Dozent tätig war.

Frysk Hynder – purer friesischer Eigensinn

„Ich kam zur Ben Nevis Destillerie in den Western Highlands. Dort wurde ich vom Handwerk des Brennens gepackt und war fasziniert von den Möglichkeiten des Whiskys.“

Erst eine Reise nach Schottland bringt Aart auf die Idee, dass er in seiner Bierbrauerei auch Whisky herstellen könnte. In seinem Nachschlagewerk Whisky van de Lage Landen (Favier, 2017, S. 145) spricht der Journalist Wieger Favier mit Aart van der Linde darüber: „Ich kam zur Ben Nevis Destillerie in den Western Highlands. Dort wurde ich vom Handwerk des Brennens gepackt und war fasziniert von den Möglichkeiten des Whiskys.“ „Mein Vater Aart befand sich in einer Midlife-Crisis und war bereit für eine neue Herausforderung“, erzählt sein Sohn Alex später. „Die Herstellung von Whisky schien ihm eine schöne Erweiterung des Brauprozesses zu sein.“ Mit Hilfe eines Maschinenbauers beschließt er, eine Malz- und Maischemaschine sowie eine 2000-Liter Kombination aus Braukessel und Brennkessel zu bauen. 2002 wird die Brennerei in Betrieb genommen und Ende 2005 bringt Aart den Whisky auf den Markt.

Der erste selbst gebrannte „Frysk Hynder“ Whisky ist geboren. Ein Zinnpferdekopf auf dem Verschluss ist dessen Tüpfelchen auf dem I. Er steht für die Kraft und Eigenwilligkeit des friesischen Pferdes, zeigt aber auch auf schöne Weise den ursprünglichen Charakter des Frysk Hynder Single Malt Whiskys auf – kraftvoll und eigenwillig. Alle Namen des Unternehmens – ob Us Heit (Bier und Korn), Frysk Hynder (Whisky) oder auch Frysk Famke (Liköre) – symbolisieren die starke Verbindung des Unternehmens zur Geschichte Frieslands auf. Diese Tradition und Herkunft stehen im Fokus und markieren den Beginn des niederländischen Whiskys.

Im Lagerhaus von Zuidam Distillers.

Zuidam Distillers

Zweieinhalb Autostunden südlich von Friesland, in der Provinz Nordbrabant, liegt an der belgischen Grenze das Dorf Baarle-Nassau. Hier kaufen Fred und Hélène Van Zuidam 1975 ein Grundstück, um ihre eigene Brennerei zu errichten; damals noch unter dem Namen Baarle International. Fred hatte als Destillateur bei De Kuyper in Schiedam gearbeitet. Hélène war Designerin. Und beide waren bereit für eine neue Herausforderung.

„Ich bekam alle Freiheiten, um mit neuen Geschmacksrichtungen und Getränken zu experimentieren. Ich begann mit Malzwein als Grundlage für Genever, aber still und leise, parallel dazu, begann ich auch schon mit Whisky.“

Als Sohn Patrick 1994 nach seinem Studium der Verwaltungsinformatik in das Unternehmen eintritt, dauert es nicht lange, bis er seine Idee, Whisky herzustellen, verwirklicht. „Ich bekam alle Freiheiten, um mit neuen Geschmacksrichtungen und Getränken zu experimentieren. Ich begann mit Malzwein als Grundlage für Genever, aber still und leise, parallel dazu, begann ich auch schon mit Whisky“, so erinnert er sich später im Interview für das bereits erwähnte Nachschlagewerk von Wieger Favier. Die ersten Whiskyfässer werden 1996 noch mit viel Experimentierfreude befüllt. Nachdem verschiedene Verbesserungen vorgenommen wurden, kommt dann 2005 der erste Whisky auf den Markt.

Die erste Flasche des niederländischen Millstone Whisky (2005).

Millstone als Name

„Da ich keine Lust auf einen möglichen langen Rechtsstreit über den Namen hatte, habe ich mir spontan „Millstone“ ausgedacht.“

„Den Namen Millstone musste ich mir in aller Eile ausdenken, weil meine erste Idee ‚Lowland Whisky‘ war“, erinnert sich Master Distiller Patrick van Zuidam heute mit einem leichten Schmunzeln zurück. „Am Tag bevor ich mit meinen ersten Kisten Single Malt Whisky zu einem Whiskyfestival fahren wollte, fand ich einen Brief vom Veranstalter eines gleichnamigen Musikfestivals in meinem Briefkasten. Da ich keine Lust auf einen möglichen langen Rechtsstreit über den Namen hatte, habe ich mir spontan „Millstone“ ausgedacht. Er bezieht sich auf die niederländischen Mühlen, in denen das Getreide für den Whisky gemahlen wird. Bis spät in die Nacht habe ich dann meine neuen Etiketten gedruckt und auf meine Flaschen geklebt.“

Wie auch immer danach die einzelnen Wege im Detail verlaufen: Während Us Heit mit ihrem Frysk Hynder nationale Bekanntheit erlangt (und nach wie vor ein Begriff ist), hat Millstone seine Flügel längst weiter ausgespannt und sich auch international einen Namen gemacht.

Nachahmer und wahre Hingabe

2005 ist so dank zweier Akteure die Geburtsstunde des niederländischen Whiskys. Hier wie da haben sich danach etliche andere große oder kleine Brennereien ebenso daran versucht. Einige scheiterten und gaben auf. Andere versuchten es, blieben aber unter dem Radar. Doch wohl nur eine Handvoll – entweder durch ausreichende Produktion oder durch ein besonderes Endergebnis – sind im größeren Stile im Blickpunkt geblieben. So wie Frysk Hynder und Millstone.

Aber die Geschichte geht weiter. Im Jahr 2025 gibt es in den Niederlanden eine ganze Reihe von Whiskyherstellern, die Tag für Tag mit großer Leidenschaft und Hingabe ihr Lieblingsdestillat in den unterschiedlichsten Eichenfässern reifen lassen. Und Schritt für Schritt werde ich sie Ihnen in den nächsten Beiträgen hier vorstellen, wenn Sie mögen…

Ihr

Fred Blans

Tilburg NL