Es wurde in der Vergangenheit bereits viel über Sherryfässer in den unterschiedlichsten Online- und Printmedien geschrieben. Über die mit trinkfertigem Sherry befüllten Transportfässer, die im 19 Jahrhundert zuhauf von Andalusien nach London, Glasgow oder Leith verschickt wurden, als der populäre südspanische Likörwein in Großbritannien als das Modegetränk schlechthin galt. Nach ihrer Entleerung fanden diese Fässer eine zweite Verwendung in den schottischen Whisky-Brennereien zur Reifung ihrer Destillate. Auch über die seltenen Solera-Fässer war oder ist zu lesen: Jene Behälter aus dem traditionellen, kaskadenartig aufgereihten Reifungssystem spanischer Sherry-Bodegas, die praktisch nie vollständig entleert werden, da man sie im Allgemeinen kontinuierlich verwendet. Sie sind Teil eines permanenten Prozesses, bei dem sie teilweise geleert (maximale Entnahme von einem Drittel des Inhalts) und teilweise wieder gefüllt werden, während der Sherry seinen Weg durch diese Solera durchläuft. Bis auf nur sehr wenige Ausnahmen werden diese Solera-Fässer nicht in der Whisky-Industrie verwendet.
Wehmut nach alten Zeiten: Die Paxarette-Methode
Das Thema Paxarette wurde ebenfalls ausführlich erörtert. Für viele Whisky-Enthusiasten ist das Verbot dieser Methode zur Auffrischung gebrauchter oder ausgelaugter Fässer in Schottland der Hauptgrund dafür, dass heute in Sherryfässern gereifte Whiskys, nicht mit den Aromen und der Tiefe im Geschmack derjenigen aus den 1980er Jahren mithalten können. Paxarette war ein süßer Wein, hergestellt aus der weißen Pedro Ximénez (PX)-Traube, der oft mit eingekochtem Most (Arrope) angereichert wurde. Diese Mischung – etwa 0,5 Liter für ein Hogshead oder 1 Liter für ein Butt – wurde unter Druck in die Eichenfässer eingespritzt. Diese Methode prägte das damalige Bild eines „Sherryfass-gereiften“ Whiskys, bis die Scotch Whisky Association (SWA) im Jahr 1989 den Einsatz von Paxarette in Schottland untersagte. Laut einem kürzlich erst erschienenen Artikel im britischen Whisky Magazine erlebt Paxarette derzeit eine Renaissance als Mittel für eine modifizierte Auffrischungsmethode in Brennereien, die keinen Scotch Whisky herstellen.
Gängige Praxis: Cask Seasoning
Selbstverständlich müssen wir auch die verbreitete Praxis des „Cask Seasoning“ erwähnen. Dabei fertigen Whisky-Destillerien frische Eichenfässer an oder lassen diese im Auftrag herstellen, die in den spanischen Bodegas mit wenigen Jahren gereiftem Sherrywein befüllt werden. Dieser Prozess dient dazu, Bitterstoffe aus dem Eichenholz zu entfernen und die Geschmacksverbindungen im Holz zu verändern, während die Fässer mit dem jungen Sherry getränkt werden. Nach einer Reifezeit von in der Regel 12 bis 24 Monaten werden die „gewürzten“ Fässer entleert und an ihre Auftraggeber in Schottland oder anderen Ländern geliefert, um mit New Make oder Whisky befüllt zu werden. Diese Praxis ist derzeit die gängigste Methode für Brennereien, um an Sherryfässer zu gelangen und die hohe Nachfrage nach Sherryfass-gereiftem Whisky zu befriedigen. Es ist eine Win-Win-Situation, da durch diesen Prozess in Andalusien eine ganze Industrie (wieder) fest etabliert wurde.
… und ein großer Verdacht: Werden „Wet Casks“ verwendet?
Dies leitet zu dem Thema über, das in einschlägigen Online-Foren und Portalen gelegentlich für kontroverse Diskussionen sorgt: die sogenannten „Wet Sherry Casks“ oder kurz „Wet Casks“. Was verbirgt sich dahinter? Normalerweise sollten die Sherry-seasoned Casks, also die Sherryfässer, die zur Wiederbefüllung nach Schottland und anderen Ländern verschickt werden, vollständig geleert sein. Dennoch lassen die Farben und Aromen junger Whiskys, die in solchen Fässern lagern, bei einigen Whisky-Enthusiasten keinen Zweifel daran, dass offensichtlich eine gewisse Menge Restsherry im Fass verblieb, welcher vor der Befüllung mit New Make oder Whisky nicht entfernt wurde.
Die spanische Seite der bestehenden Vorschriften
Ist das möglich? Bei Betrachtung der Regularien in Spanien fällt auf, dass die spanische Sherrybehörde, der Consejo Regulador, keine Vorschriften bezüglich des Transports von Sherry-seasoned Casks macht. Es bleibt also offen, ob diese Fässer vor dem Transport nach Schottland vollständig entleert werden oder noch Reste des Sherrys darin enthalten sind. Aus rein praktischer Sicht erscheint Letzteres durchaus sinnvoll, da ein Restbestand an Sherry dazu beitragen kann, die Fässer während des Transports vor Austrocknung und bakteriellem Befall zu schützen, wodurch ihre Integrität bewahrt wird.
Aus rein praktischer Sicht erscheint Letzteres durchaus sinnvoll.
Heinz Weinberger über mögliche Sherry-Reste im Fass beim Transport.
Diese „geruchsfreundliche“ Methode, ein Fass vor bakteriellem Befall zu schützen, dürfte viele Liebhaber von Sherryfass-gereiften Whiskys mehr erfreuen als der Einsatz von Schwefelkerzen. Offizielle Informationen darüber, ob und wie viel Likörwein während des Transports von Andalusien nach Schottland im Fass verbleibt, damit eben jenes nicht austrocknet oder von Bakterien befallen wird, sind jedoch nicht verfügbar. Dass diese Fässer beim Transport nicht leer sind – es wird spekuliert, dass bis zu 20 Liter Restsherry darin verbleiben könnten – ist Gerüchten zufolge eine gängige Praxis, die jedoch nicht offiziell dokumentiert ist.
Das klare Reglement der Scotch Whisky Association (SWA)
Liegt also die Verantwortung bei den Whisky-Produzenten? Blicken wir nach Schottland. Gemäß den Richtlinien der SWA sind Brennereien verpflichtet, die Fässer vollständig vom Sherry zu entleeren, bevor sie den New Make oder Whisky einfüllen. Neben Wasser, Gerste und Hefe ist nur noch Zuckercouleur als Zusatz beim Scotch Whisky erlaubt. Doch in einigen Online-Diskussionen wird gemutmaßt, dass sich trotz dieser Vorschrift kaum jemand daran hält. Es besteht der Verdacht, dass die Whisky-Brenner bei der Ankunft der gewürzten Sherryfässer lediglich am Spundloch riechen und, sofern das Aroma als zufriedenstellend empfunden wird, das Fass ohne vorherige Entleerung mit ihrem Destillat befüllen. Ob dies nun tatsächlich der Fall ist, lässt sich schwer nachweisen. Wer soll das bei der Fülle an Fässern kontrollieren? Obwohl es sich dabei nur um Gerüchte handelt, enthält jedes Gerücht doch ein Körnchen Wahrheit.
Die hilfreichen Effekte der Wet Casks
Was bewirkt also der zusätzliche Sherry im Fass beim Whisky? Ein vollständig entleertes Sherry-seasoned Cask enthält, je nach Größe, noch bis zu 15 Liter und mehr an Sherrywein, die von den Dauben während des Seasonings aufgesogen wurden und während der Fassreifung teilweise bis vollständig an den reifenden Whisky abgegeben werden können. Eine zusätzliche Restmenge an, im Fass verbliebenem Sherry vermischt sich sofort mit dem eingefüllten New Make oder Whisky. Er nimmt dadurch ein beträchtliches Maß an Aromen und, falls es sich um süßen PX Sherry handelt, Zucker auf. Dadurch ist der Inhalt, der für eine Reifung in diesem Fass vorgesehen ist, schon zu Beginn mit einer Fülle an typisch Sherry-artigen Aromen angereichert. Diese können im Laufe der jahrelangen Reifung mit Luftsauerstoff und chemischen Substanzen des Fassholzes sowie des Destillats weitere Reaktionen eingehen und so neue Geschmacksnoten entwickeln. Die Aromatik und vermutlich auch die Farbe eines solchen Whiskys werden eine andere sein, verglichen mit einem entsprechenden Whisky, der in einem vollständig entleerten Sherry-seasoned Cask reifte.
Gäbe es Kontrollmöglichkeiten & Messmethoden?
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob man wissenschaftlich feststellen kann, ob ein Sherryfass vor der Befüllung mit New Make oder Whisky vollständig entleert wurde oder, ob noch Restmengen an Sherrywein darin verblieben sind. Gibt es gar eine analytische Messmethode? Diese Frage lässt sich durchaus mit ja beantworten, wenn auch der Prozess aufwendig und kostenintensiv ist, insbesondere bei einer großen Anzahl von Fässern.
Gibt es gar eine analytische Messmethode? Diese Frage lässt sich durchaus mit ja beantworten.
Heinz Weinberger über die Ermittlung von Restmengen an Sherry im Fass.
Die Analyse des Restzuckergehalts im Whisky beispielsweise könnte einen Hinweis auf im Fass verbliebene, vor der Befüllung nicht entfernte Inhalte – also Sherrywein – liefern. Allerdings ist es aufgrund fehlender Daten schwierig, aus dem ermittelten Zuckergehalt präzise Rückschlüsse auf die Menge des verbliebenen Sherrys im Fass zu ziehen. Dazu kommt: Wer soll das alles kontrollieren? Wer betreibt diesen immensen Aufwand?
Im Labyrinth der Verdächtigungen
Sie merken es: Das Thema ist wahrlich ein endloses Labyrinth, in dem man sich verlieren kann, ohne jemals zu einem klaren Ergebnis zu gelangen. Man kann es drehen und wenden wie man möchte. Es existieren keine zuverlässigen Informationen darüber, ob solche Praktiken in Schottland oder anderen Whisky-produzierenden Ländern verbreitet sind. Und diese Betrachtung ist nicht auf Sherry beschränkt, sondern könnte auch für Fässer gelten, die mit Portwein, Madeira, Malaga oder anderen Süßweinen behandelt wurden. Es bleibt ein Mysterium, bislang ungelöst und unbeantwortet.
Der große Vorteil: Konzentration auf den Genuss
Wir müssen zugeben, dass wir es schlichtweg nicht wissen! Sollten wir es wissen? Nun, man kann sich natürlich darüber aufregen und diskutieren, ob und wie viel Restsherry im Fass vor der Befüllung verblieben ist, und dass dies überhaupt nicht rechtens sei. Die weniger nervenaufreibende und energieintensive Option besteht jedoch darin, sich einfach dem Genuss hinzugeben und die Vielfalt der Aromen zu schätzen, die jedes Fass, ob mit oder ohne Spuren des vorherigen Inhalts, dem Whisky verleiht.
Kurzum: It’s up to you!