Wie gelingt es, einen Whisky, den man vor sich hat, derart in Worte zu fassen, das man das wiedergibt, was einem die Sinne vermitteln? Seien wir ehrlich: In aller Regel prallt ein mehr oder weniger großes, mal stilles, mal eher lautes Sammelsurium von Eindrücken auf uns ein. Und wie oft erleben wir, dass wir denken, nicht die richtigen Worte dafür aus uns herauszubekommen. Das kann ganz schön frustrieren, insbesondere dann, wenn man jemanden vor oder auch nur neben sich wortgewandt darüber schwadronieren hört, als sei das das Selbstverständlichste von der Welt. Wie machen die das bloß, mag man sich da fragen. Und warum, verflixt noch eins, kommt man nicht selbst auf diese Beschreibungen, die plötzlich so klar und einleuchtend erscheinen? Immerhin: In aller Regel wissen wir genau, welcher Whisky uns schmeckt und welcher nicht. Das ist schon mal was.
Eine beklagenswerte Zwei-Klassen-Gesellschaft
Und trotzdem gefällt mir etwas nicht an der beschriebenen Situation. Wir erlauben uns indirekt dadurch eine Art Zwei Klassen-Gesellschaft, aufgeteilt in die, die uns die Whiskys erklären, beschreiben und auch bewerten, den sogenannten Experten; und auf der anderen Seite die vielen anderen, denen als Fußvolk des Geschehens nur die dumpfe Rolle des verstummten Genießers bleibt. Oder eine Art plumpe Trotzreaktion: Den mag ich aber doch. Oder eben nicht! Dass eine der größten und schönsten Liebhabereien dieser Welt in meinen Augen auf diese Weise ausgehen soll, will mir so gar nicht schmecken. Im Gegenteil. Es empört mich sogar. Oder?
Hilfsmittel und geliehene Worte…
Doch auch über diese Beschreibung von mir ließe sich trefflich streiten. Ist dem überhaupt so, könnte man genauso gut fragen. Wie auch immer es sich tatsächlich verhält. Fakt ist: Es gibt zig Freunde und Liebhaber vom „uisge beatha“, dem Wasser des Lebens, die den Whisky zwar ausgiebig genießen und verehren, nur mit dem vermaledeiten „in Worte kleiden“ tun sie sich schwer. Man greift dann zu Hilfsmitteln wie den Aroma-Rädern oder bedient sich bei Taste Notes, Verkostungssets oder greift schlicht auf jemand aus seinem Freundeskreis zurück, dem dieses Beschreiben leichter fällt. Denn so komplett wortlos mag man am Ende den Whisky, der einem gerade so gut schmeckt und gefällt, nun doch nicht zur Seite legen.
…und eine selbst verschuldete „Unmündigkeit“
Hm! Muss das ewig so bleiben? Ich würde hier gern eine Hilfestellung geben, dass man sehr wohl zu seinen eigenen Worten kommen kann, um nicht – hier wie dort – von anderen vorgekautes abzukupfern oder für sich übernehmen zu müssen. Ich erlaube mir dafür einen Schwenk in die Geistesgeschichte. Das zentrale Motiv aus der Epoche der Aufklärung, die maßgeblich unsere heutige, moderne Welt geprägt hat, war dies: „Sape audere!“ Zu gut Deutsch: „Wage deinen eigenen Verstand zu gebrauchen!“ Eine klare Aufforderung, sich aus „der selbstverschuldeten Unmündigkeit“, wie es dort gern heißt, heraus zu bequemen. Also seinen ganzen Mut in die Waagschale zu schmeißen, um nicht dort verhaftet zu bleiben, „wo man von Natur aus hingeworfen wurde“, um noch eine oft und gern zitierte Wendung der Aufklärung anzuführen. Ich hoffe inständig, mit solchen kernigen Sätzen aus der Zeit der Gründerväter unserer heutigen Moderne ganz viele Leserinnen und Leser am Schlafittchen ihres Stolzes gepackt zu kriegen, um den Anstoß in sich zu verspüren, dem eigenen Schmecken und Empfinden wieder mehr zu trauen und ergo Raum zu geben, so dass sich die Worte dazu ebenso einstellen können.
Riechen, Schmecken, Spüren, Erinnern und sich hineinvertiefen
Denn nur darum geht es: Riechen, Schmecken, Spüren, Erinnern und sich in die eigenen Eindrücke hinein vertiefen, um so dann – immer genauer werdend beim Nachschmecken – Stück für Stück die ersten Fetzen an Worten und Vergleichen herauszulösen, aus denen dann mehr und mehr die eigenen Beschreibungen entstehen. Das ist kein Hexenwerk, Freunde! Wirklich nicht! Ihr müsst euch nur die Zeit nehmen dafür.
Unser Kopfkino – der Königsweg zum Verkosten
Ich finde übrigens das Wort Unmündigkeit ungeheuer treffend in diesem Fall. Denn es spricht geradezu bildhaft aus, was passiert, wenn ich mich der Beschreibungen von anderen bediene. Ich verbiete mir selbst meinen Mund. Und das will mir ganz komisch erscheinen, gerade bei einem so royalen Genuss wie Whisky. Ist es denn nicht so, dass der Whisky, der gefühlt ewig schlummernd in den Fässern vor sich hin reifte, nun endlich, da er als abgefüllter Whisky ans Licht der Welt tritt und im Glas vor uns steht, zu uns sprechen will? Und sollten wir wirklich keine Antennen oder Ohren dafür haben?! Was, so ist doch die Frage, muss bei dem so Angesprochenen, also Ihnen als Genießer, gelingen, dass Sie dies in eigene Worte ummünzen können?
Die Antwort klingt banal:
Sie müssen a) nur gut zuhören und b) dem eigenen Sprechen seinen freien Lauf lassen.
Nur wie macht man das am besten?
Sicher, indem man alles vergisst, was einem andere vermeintlich vorbeten. Das große Trauen besteht in der gnadenlosen Zuwendung an die eigene Wahrnehmung. Sie allein zählt. Und dann muss man den Mut dafür aufbringen, sich in das Abenteuer des eigenen Entdeckens zu stürzen. Natürlich hat man lebhafte Eindrücke vom Whisky. Und diese lassen sich entweder gut ordnen, wofür ich im Folgenden noch weitere Hinweise gebe. Oder man gibt sich ganz und gar seinen freien Assoziationen hin. Letzteres ist sogar der Königsweg des Verkostens. Man schaltet schlicht das eigene Kopfkino an. Denn in uns schlummern unendlich viele Bilder und Erinnerungen aus unserem reichen Leben, die wie der Whisky – der nach seinen endlosen Tagen im Fass endlich ans Licht der Welt kommt – nur freigesetzt werden wollen. Nur in diese neue Art von „trauter Gemeinsamkeit“ mit dem Whisky müssen wir uns erst einmal hineinfinden. Darin besteht das besagte gute Zuhören. Das „Hineinhören“ in den Whisky. Und das eigentlich gut bekannte Hineinhören in uns selbst. Die berühmten zwei Seiten einer Medaille. Hier wie dort. Oder wie es der wohl berühmteste deutsche Dichter auf einen Nenner gebracht hat:
„Wäre das Auge nicht sonnengleich, es könnte die Sonne nicht erblicken“.
Johann Wolfgang von Goethe
In der Schule des Whiskys, Teil I:
Wozu ich hier also animiere, ist ein Teil dessen, was ich „In der Schule des Whiskys“ nenne. Da Whisky als Liebhaberei das besondere Phänomen besitzt, größer in der Bedeutung zu sein als wir selbst, was komisch klingen mag, aber nichts anderes besagen will, als dass wir für ihn bereit sind, ihm unsere ganz Hingabe zu schenken, kommen wir derart bereits auf die entscheidende Spur: Lassen wir uns also Schritt für Schritt vom Whisky selbst an die Hand nehmen, welche Worte und welche eigenen Entdeckungen an Worten es von uns noch braucht. Das eine ist das gute „Hinhören“, vom dem ich hier rede. In der Regel sind das die reichen, lebhaften Eindrücke, die uns aus dem Glas heraus in die Nase entgegenspringen und auf dem Gaumen und im Rachen so wundersam Raum greifen. Und wenn man nun dabei die Augen schließt, melden sich – mit der entsprechenden Geduld, die es ab und an braucht – die ersten Erinnerungen. Und aus diesen Erinnerungen heraus können wir diesen Bildern in uns erste, darin enthaltene Gerüche zuordnen.
Erinnerungen und ihre Gerüche
Etwa: Wir denken an eine Wiese. Dann haben wir Gerüche von Blumen, Kräutern, Gräsern, Heu, Getreide und Stroh, aber auch Honig und dergleichen mehr in der Nase. In der Regel kennen wir all diese Gerüche. Wir brauchen nur die Bilder und Vorstellungen in uns dazu. Anderes Beispiel: Wir denken an Weihnachten und die Düfte aus der Küche. Etwa Lebkuchen, Braten, Gebäck, Kerzenduft, Tannennadeln und dergleichen mehr. Löst ein Whisky diese Bilder aus? Dann kriegen wir wieder eine Spur zu den Gerüchen. Und können Schlussfolgerungen aus ihnen ziehen. Etwa: Lebkuchen ist dunkles Gebäck, Zimt, Zucker und Nelke. Braten hat Röstaromen, ist fleischig, teils blutig, könnte Speck haben und nicht zuletzt das typische „Maggikraut“ Liebstöckel. Oder Kerzenduft: Heißt: leichter Rauch, vor allem aber der Geruch von Wachs und Ölen oder gar parfümierte Noten. Und noch zwei Beispiele fielen mir ein: Ein Whisky könnte an einen Kleiderschrank (alt) oder das Auto vom Papa erinnern. Ersteres könnte Muff, Mottenkugel und altes Holz anklingen lassen. Letzteres enthielte Indizien für alte Ledernoten oder Lacke, Gummi und dergleichen mehr.
Das tägliche Wunder von Düften und Aromen
Was nicht anders besagt, als dass wir tagtäglich umstellt sind von Gerüchen, die wir längst in uns abgelagert haben und nur für das allmähliche Auseinanderklamüsern der verdichteten Düfte eines Whiskys reaktivieren müssen. Wer sich auf diese Spur begibt, ist nicht nur „In der Schule des Whiskys“ angekommen. Er entdeckt plötzlich eine neue, schier endlos reiche Sinnenwelt um sich. Allein bei der Brotzeit am Abend können wir uns in diese hineinfinden. Frische Tomaten aufgeschnitten, Gurken oder Paprika, der Duft von Kaffee oder Tee, Bier oder Wein, Milch, warm oder kalt, die Würste, der Käse oder der Fisch, selbst die Brote und ihr Getreide – alle Geschmäcker oder Aromen liegen plötzlich als reicher Schatz vor uns. Und diese Achtsamkeit lässt sich locker auf viele weitere Lebensbereiche übertragen. Die Düfte am Meer oder in den Bergen im Urlaub. Plätze, hier wie dort, die ihre eigenen Duftnoten besitzen. Überall locken die besonderen Gerüche, deren Witterung wir in uns aufnehmen können. Und dies alles Dank des Whiskys, dem wir endlich unsere eigenen Worte leihen wollen. Willkommen in einer Magie für sich!
Jeder Schritt ist wichtig. Der erste eigene vor allem!
Mir war es hier sehr wichtig, Sie als Leserinnen und Leser zunächst einmal mit diesen Hinweisen auf die Spur der eigenen Wahrnehmungsfähigkeiten zu bringen, bevor ich den zweiten Teil anpacke, nämlich: Wie macht man das denn als Profi in diesem Geschäft? Die Antworten darauf geben hier ohne Frage weitere, wichtige Orientierungen. Doch sie sind allesamt als nachrangig zu betrachten. Erst einmal muss man – intrinsische Motivation ist das Zauberwort der Experten dafür – selbst (wieder) Herr oder Frau des Verfahrens werden, was wir das Verkosten und Beschreiben nennen. Nur darauf kann man weitere Hilfestellungen und Kriterien aufsatteln; nicht andersrum! Das Bewerten ist indessen nur ein Schlusspunkt des Verkostungsvorgangs, dem wir für den tatsächlichen Genuss keine so große Bedeutung beimessen. Denn was ein wirklich guter Whisky ist und wie man das bemisst, ist ein weites und hochkomplexes Feld, das selbst die meisten Profis nicht sehr klar zu beantworten wissen, weswegen wir diesem schwierigen Thema lieber einen eigenen Artikel widmen mögen.
In der Schule des Whiskys, Teil II:
1. Informationen ordnen und sichten
In schöner, professioneller Ordnung sollte man sich dagegen jedem Whisky erst einmal in sehr nüchterner und rein sachlicher Art und Weise annähern. Wir reden hier von der ersten Bestandsaufnahme, die uns die wichtigsten Grundinformationen liefert. Wir haben es beim Whisky mit einer hochkomplexen Materie und einem schier riesigen Revier zu tun, wo erst einmal die wichtigsten „Duftmarken“ abgesteckt gehören. Was dies im Glas, in der Nase und auf dem Gaumen bedeutet, lässt sich dann viel eindeutiger erschließen und verstehen und argumentativ zuordnen. Und um dafür eine erst Idee zu geben, wozu dieser Schritt wichtig ist, geben wir auch hier ein, zwei Beispiel dafür: Denn klar sollte sein, dass ein Single Malt Whisky ein ganz anderes Profil an Grundgeschmack und Aromen besitzt als ein Bourbon oder Rye Whiskey. Und ebenso klar dürfte wohl sein das Alkoholstärke, Fasslagerung und Klima ihre markanten Spuren im Whisk(e)y hinterlassen, die wir später eruieren und dann darüber sinnieren mögen. Es empfiehlt sich also zu jedem Whisky eine Art Steckbrief (imaginär oder schriftlich) anzulegen:
Der Whisky Steckbrief
- Aus welchem Land oder welcher Region des Landes stammt er?
- Um welchen Typ (Sorte, Gattung, Art) von Whisk(e)y handelt es sich?
- Aus welcher Brennerei stammt er?
- Was macht diese besonders?
- Wie wurde er destilliert?
- Wie hoch ist der Alkoholgrad?
- In welchen Fässern reifte?
- Wie lange dauerte die jeweilige Reife?
- Gab es besondere Einflüsse?
2. Eine kleine Charakterkunde
Der zweite, wichtige Tipp, den ich gerne geben mag, lautet: Legen Sie nach einem ersten Probieren zunächst den Grundcharakter des Whiskys fest. Verlieren Sie sich nicht zuerst im Detail, sondern bleiben Sie auf der großen Spur. Kurzum: Handelt es sich um einen leichten oder milden Tropfen? Oder um einen kräftigen, gar rauen Gesellen? Wirkt er elegant? Oder vielleicht weiblich? Oder kommt er ihnen schwer und gehaltvoll vor? Ist es eine „süße Praline“? Oder eine „Torfbombe“? Mit solchen ersten Beschreibungen nähern Sie sich dem Charakter eines Whiskys. Greifen Sie auch hier ruhig zu ihren eigenen Worten, denn niemand schreibt hierfür feste Begriffe vor. Sie werden feststellen, um wie vieles leichter es danach fällt, alle anderen noch zu entdeckenden Nuancen und Aromen diesem Tropfen anzuheften.
An folgenden typischen Charakteristiken eines Whiskys darf man sich aber gerne orientieren:
Die wichtigsten Whiskycharaktere
- Leicht
- Mild
- Süß
- Fruchtig
- Malzig
- Dunkel/schwer
- Würzig
- Rauchig/Torfig
- Floral / mit „grünen“ Noten (Blumen/Kräuter/Tee)
- Elegant
Weitere typische Attribute eines Whiskys können sein:
- Dicht
- Komplex
- Kräftig
- Erdig
- Pfeffrig
- Scharf
- Exotisch
- Funky (eigenwillig & anders)
Diese Liste an Charakteristiken, die beliebig ergänzt, kombiniert und auch in andere, launigere Worte gefasst werden könnte, beschreibt einen Whisky in aller Regel bereits recht treffend. Das Reden über den Tropfen wird danach deutlich leichter und heftet ihm nur noch weitere entdeckte Merkmale oder Kennzeichen an. Womit wir uns bereits auf die finale Ebene der professionellen Verkostung begeben. Sie gibt alle weiteren Schritte vor:
Die hohe Schule der professionellen Verkostung:
1. Das Vorspiel – die erste Sichtung
Die professionelle Verkostung geht in vier immer gleichen Schritten vor. Den Beginn macht die Sichtprobe, noch vor der Annäherung mit der Nase. Wie präsentiert sich der Tropfen im Glas? Im Fokus stehen 1) das Farbenspiel und 2) die Fließeigenschaften des Whisk(e)ys. Allein das Farbenspektrum kann sehr groß sein. Es reicht von sehr wässrig-blassen Tropfen über strohgelbe Farben bis hin zu grünen Tönen von Gras und Heu und setzt sich mit den typischen Tönen von Gold- und Amber („flüssiger Sonnenschein“) bis hin zum rötlich- rostbraunen Schimmer von Bernstein, Kupfer, Kastanie und Mahagoni fort. Die Farbe sagt dabei stets etwas über die Dauer und Art der Lagerung respektive die Reifung aus. Gleiches gilt für die Viskosität des Whiskys. Je öliger und dickflüssiger sich der Tropfen am Glas abzeichnet, wenn man ihn leicht schwenkt, desto intensiver ist er und desto prägender war der Einfluss des Fasses (und das Holz!), in dem er reifte. Mein Tipp: Wer sich dafür genügend Zeit nimmt, bekommt bereits eine erste Idee von dem, was auf ihn danach in der Nase, auf dem Gaumen und zuletzt in der Kehle noch wartet. Es ist wie ein Vorspiel und Teil des Genusses.
Das typische Farbspektrum
- Helltönig
- Strohgelb
- Grüntöne
- Goldfarben
- Amber
- Bernstein
- Kupfer
- Nussbraun (Mahagoni/Kastanie)
Begriffe für die Viskosität (Fließeigenschaften)
- Ölig und schwer
- Viskos
- Leichtflüssig
- Smart
- Eher dünn
2. Der Flirt mit der Nase – das Nosing
Der zweite Schritt wird von unserem Riechorgan bestimmt. Welche Aromen drängen sich auf? Wieder handelt es sich nur um eine Annäherung. Nach ersten Eindrücken wird die Nase genauer. Die Gerüche ordnen sich, wenn man sie einzeln wie Folien ablegt. Man schnuppert beispielsweise Nussaromen. Gut. In einem zweiten Anlauf sollte man versuchen, konkreter zu werden. Welche könnten es gewesen sein? Etwa Mandeln? Oder Erdnüsse? Oder noch andere? Hat man diese erkannt – wenn nicht, belässt man es schlicht bei dem Vermerk Nuss – geht es auf zum nächsten Hauch. Möglicherweise deuten sich Früchte an. Sind es rote oder weiße Früchte? Eher Apfel und Birne (weiß) oder Beeren und Kirsche (rot). Haben sie tropische Anklänge (Ananas, Mango, Papaya) oder einen leichten Biss von Zitrus (Orange, Zitrone…)? Oder sind es stärker reife, gedörrte Noten? Man wäre damit auf der Spur von Trockenfrüchten wie Rosinen, Pflaumen oder Datteln – eingemachtem Obst wie bei einer Konfitüre. Oft fügen sich dann Aromen wie Backdüfte (Toffee, Karamell, Vanille) an. Ebenso können es würzige Aromen sein. Welche? Und gern Noten von Rauch, Kräutern, blumigen Düften, und so weiter. Um sich hier weitere Anregung zu holen, welche Aromen dies im Einzelnen sein könnten, ist dem Artikel ein Raster der markantesten Noten angefügt. Aromaräder mögen auch eine Hilfe sein. Wir empfinden sie aber eher als eine lästige Plage, die mehr zum Nachplappern oder gar sich aufhübschen animieren, statt der eigenen, gern auch bescheideneren Beschreibung zu dienen.
Die häufigsten Aromen
- Süße: Honig, Malz, Karamell, Rosinen, Gebäck, Konfitüre, Schokolade
- Früchte: Hell oder dunkel (diverse), reife oder überreife Früchte (diverse), tropische oder gedörrte Früchte (diverse), Marmelade
- Würze: Vanille, Zimt, Nelke, Muskat, Tabak, Leder, Holzwürze, Sandelholz…
- Holz/Fass: Bourbon, Sherry (diverse), Port, rote Weine, Süßweine (diverse), Eiche, Holz, alter Schrank
- Nuss: Mandeln, Bittermandeln (Esther!), Haselnuss, Walnuss, Chips, geröstete Nüsse, Schale
- Düfte: Gras, Heu, Stroh, Moss, Blumen, Braten, Backen, Meer (siehe Extrapunkt), Parfüme…
- Rauch: Torf, Ofenrohr, Lagerfeuer, Kohl, Kartoffelfeuer, Rauchschiunken, Speck, Guacamole…
- Meer: Seeluft, Salz, Seetang, Teer, Fischernetze, Fisch
- Medizin: Jod, Pflaster, med. Alkohol, Lösungsmittel, Medizinschrank
3. Mit dem Gaumen schmecken und riechen – das Sipping
Wer schon so lange durchgehalten hat, ohne gleich zu nippen, was ein Kompliment für diese Disziplin verdient, der will natürlich endlich den Tropfen auf seine Zunge zergehen lassen, weil da das eigentliche Vergnügen wartet. Dennoch: Man begnüge sich mit einem nicht zu großen Schluck. Denn aber rolle man langsam und mit Zeit auf dem Gaumen. Zu starker Alkohol kann im ersten Moment beißen, doch es helfen kleine, kauende Bewegungen. Sie sorgen dafür, dass sich der Whisk(e)y im ganzen Mundraum entfaltet und gut „einnistet “. Wenn man dann noch zart Luft durch die nur knapp geöffneten Lippen einzieht, können sich die Aromen, die man ja gerne erschließen will, noch besser im Rachenraum ausbreiten. Denn dort, „rektro-nasal“ ist der Fachbegriff dafür, ist das Zentrum, mit dem wir tatsächlich schmecken, was nichts anderes bedeutet, als dass wir – hinten über den Rachen – riechen, denn es ist längst Allgemeingut, dass die Zunge nur süß, salzig, bitter und sauer unterscheidet. In den Backentaschen zeigt sich so etwa das Mundwässernde Gefühl von Salz. Auf der Mitte der Zunge entfaltet sich gern die breite Süße des Malzes, manchmal wie Pralinen, gewürzt mit bitteren Nuancen. Im Mund- und Rachenraum wirbeln die restlichen Aromen. Sie bilden einen konzentrierten Speicher, dem man zum Glück länger nachschmecken oder „nachschnuppern“ kann. Es verlangt zwar Konzentration, aber sie geben sich, wie schon beim Nosing zuvor, die markantesten Aromen und Eindrücke preis. In der Regel sollten sich dabei die Aromen erneut zeigen, die man schon vorher gerochen hatte. Doch nicht selten offenbaren gute Whiskys auf dem Gaumen ganz neue Nuancen, die den Genuss noch steigern. Und um den geht es ja, über den man so gerne redet.
„Dennoch: Man begnüge sich mit einem nicht zu großen Schluck. Denn aber rolle man langsam und mit Zeit auf dem Gaumen. Es helfen kleine, kauende Bewegungen. Im Mund- und Rachenraum wirbeln nun die Aromen. Sie bilden einen konzentrierten Speicher, in den man zum Glück lange hineinschmecken kann.“
4. Das Finale – vom „Nachruf der Aromen“
Das Schöne daran ist: Damit ist das Ende noch nicht erreicht. Intensive Tropfen hallen nach. Es ist wie ein sinnliches Rauschen aus den Tiefen von Rachen, Brust und Magen. Ich persönlich nenne es den Nachruf der Aromen. Und auch das halten wir professionell fest: Die Länge des Nachhalls und dessen Aromen wie auch die Intensität werden in Worte gefasst. Ein eindeutiger Kanon liegt dafür nicht fest. Aber: Man versucht dieses „Finish“ in Dauer und Charakteristik festzuhalten. Die objektiven Kriterien dafür sind: Wie lang hält der Nachklang an? Welche Aromen bleiben „haften“? Und nicht zuletzt: Wie tief „wirkt“ der Tropfen im Körper nach? Das lässt sich meist leicht benennen. Manche Tropfen stoppen auf Höhe der Kehle. Andere strahlen tief in die Füße aus. Gerade für Letzteres haben die Schotten den schönen Ausdruck vom so genannten „winterwarmer“ erfunden. Aber auch hier darf man gern seinen eigenen Erfahrungen und ergo Worten freien Lauf lassen.
Die wichtigsten Kriterien beim Nachhall („Finish“) sind indes:
- Die Länge des Nachklangs?
- Welche Aromen bleiben haften?
- Wie tief wirkt der Whisky?
In der Schule des Whiskys, Teil III:
Whisky ist ungemein vielfältig
Whisky oder Whiskey, je nach Herkunftsland und Schreibweise, besitzt eine grundlegende Gemeinsamkeit: Es sind fassgereifte Branntweine aus Getreide. Das kennzeichnet sie einerseits eindeutig, ist aber schon alles an Gemeinsamkeit. Die Vielfalt beim Whisk(e)y ist um ein Vielfaches größer als ihr kleinster gemeinsamer Nenner. Schottischer Whisky, allen voran Single Malt Whisky, sind von anderer Natur als der traditionelle irische Whiskey, der zugleich nicht gemälzte Gerste nutzt. Ein Whiskey aus Roggen (Rye) schmeckt anders als jener, der vor allem aus Mais (Bourbon oder Tennessee Whiskey) hergestellt wird. Grain Whiskys werden in der Regel nicht in Pot Stills gebrannt, sondern stammen aus Column oder Coffey Stills, den sogenannten Kolonnen-Brennanlagen. Ihre Rezepturen nutzen meist mehrere Getreidesorten. Es macht zudem einen großen Unterschied ob der Brand zweifach, dreifach oder vielfach – wie im Kolonnensystem – destilliert wurde. Und jeder verwendete Fasstyp zur Lagerung und Reifung gibt den späteren Tropfen einen anderen Charakter – sei es nun ein Whisky aus Fässern aus frischer Eiche (Virgin Oak), seien es gebrauchte Fässer (First Fill, Refill…), in denen vorher eine andere Spirituose reifte wie etwa Bourbon, Cognac, Rum; oder auch Weine wie etwa Sherry, Port, Madeira, Marsala oder Sauternes. Und auch die jeweilige Größe dieser Fässer ist von entscheidendem Belang (Barrel, Hogshead, Sherry Butt, Port Pipe, Matusalem, Quarter Cask, Octave Cask, Firkin…). Ganz abgesehen davon, dass jedes Land und teils sogar spezielle Regionen einen ganz eigenen Stil ausprägen. Und selbst vor der Destillation machen sich diverse Einflüsse geltend – ob durch die Wahl und, oder die Herkunft des Getreides und dessen Aufbereitung (gemälzt oder als Rohfrucht) bis hin zur Art der Maische und Fermentation des Sudes (Würze). In jedem einzelnen Schritt der Herstellung stecken so viele kleinere und auch größere Einflüsse auf den finalen Whisky. Gerade deswegen besitzt jede Brennerei ihre eigene Philosophie.
Der „Beifall“ aus eigenem Munde
Doch eben das macht das Reden über Whisky so spannend, lässt es allerdings auch so ungeheuer komplex erscheinen. Dies alles zu durchschauen und zu verstehen, braucht mehr als ein halbes Leben. Wenn wir uns allein nur vor Augen führen, wie das Wissen einer Brennerei oft über viele Generationen von Malt Männern, Kupferschmieden und Küfern und Master Distillern weitergereicht wurde, dann ahnen wir, welcher Aufgabe wir uns im Grunde gegenübersehen, und wie sehr der Weg zum Experten in dieser Materie ein sehr langer ist. Doch man kann ihn mit jedem Whisk(e)y beschreiten und genießen. Das ist „die Schule des Whiskys“, in die wir alle jeden Tag wieder neu gehen. Und unsere Worte, die aus unseren eigenen Mündern kommen, sind der Beifall, dem wir diesem tagtäglichen Glück spenden können.
Ich wünsche Ihnen viel Freude in dieser lebenslangen Schule, vor allem aber jede Menge Genugtuung an der neu gewonnenen, dafür ureigenen Mündigkeit. Und denken Sie dran: Stottern und Stammeln sind erlaubt!