You are currently viewing Große Momente werfen ihre Schatten voraus
Alle Jurymitglieder und Organisatoren der Verkostung.
  • Beitrags-Kategorie:Feature
  • Beitrags-Autor:
  • Lesedauer:19 min Lesezeit
  • Beitrag zuletzt geändert am:10. April 2024

Es war ohne Zweifel die größte Blindverkostung Deutscher Whiskys, die bislang stattfand. Fast 110 Whiskys wurden eingereicht – alle im Kampf um die begehrten Medaillen und den erhofften Sieg in  den drei Kategorien „Best Single Malt Whisky“, „Best Grain Whisky“ und „Best Rye Whiskey“. Basis dafür ist der neue „German Whisky Award“, der in Kooperation mit dem Whisky Guide Deutschland vom Verband Deutscher Whiskybrenner e.V. (VDW) verliehen wird. Zehn Juroren fanden sich für diese große Award-Verkostung auf der Burg Scharfenstein ein. Und fast anderthalb Tage lang tagten und verkosteten sie. Und dennoch kennen sie weder Sieger noch Medaillengewinner. Diese spannende Frage blieb auch für sie unaufgelöst – bis zum großen Ereignis der Award-Verleihung am 3. Mai beim Festival des Deutschen Whiskys in der Brennerei Schraml in Erbendorf in der Oberpfalz.

Wenn am 3. Mai so endlich die Ergebnisse verkündet werden – wozu dann auch die drei weiteren Entscheidungen über die „Best Whisky Distillery 2024“, „Best Whisky Shop 2024“ und „Best Whisky Bar 2024“ gehören – dann darf man mit einigem Jubel rechnen. Sieben deutsche Brennereien sind für den Award als „Best Whisky Distillery“ nominiert und machen sich so ihre Hoffnungen, ebenso je fünf Bars und Shops in den anderen zwei Kategorien. Und sie alle starren gebannt auf die Auflösung der namhaft besetzten Jury der Verkostung bzw. des Whisky Guide Deutschlands. Ähnlich fiebern so auch die rund 45 Brennereien bzw. Abfüller, die bei der bislang größten Blindverkostung Deutscher Whiskys teilgenommen haben, den Ergebnissen entgegen. Da wird sich jede Menge Kompetenz und Leidenschaft, aber wohl auch eine gehörige Portion Anspannung und Nervosität vor der Festbühne versammeln. Man darf sich an diesem frühen Abend im Mai schon auf große Momente und einige Überraschungen gefasst machen.

Perspektiven aus der Jury

Doch wie verlief eigentlich die Verkostung? Kann man davon schon berichten? Ja, man kann! Wir lassen es die drei Juroren tun, die heuer zum ersten Mal überhaupt bei dieser Blindverkostung dabei waren. Namentlich „Alles-rund-um-Whisk-e-y“ Gründer Marc Fiederer, Genussbotschafterin Annick Seiz und der allseits geschätzte Blogger über Deutschen Whisky, Basil Reinauer. Sie können sehr viel erzählen, je aus ihrer ganz eigenen Warte. Nur leider nicht die Ergebnisse. Die gibt es erst am 3. Mai in Erbendorf beim Festival.

Basil Reinauer, Blogger über deutschen Whisky

Ein Fest der Sinne, das auch forderte

Als mich Heinfried Tacke vom Whisky Guide Deutschland einlud, als Jury-Mitglied an der größten Blindverkostung Deutscher Whiskys für die Verleihung des German Whisky Award 2024 teilzunehmen, zögerte ich keine Sekunde. Als Verfechter Deutscher Whiskys war dieser Ruf für mich eine durchaus ehrenvolle sowie auch passende Aufgabe. Mit dem Wissen allerdings, 110 Whiskys – darunter Single Malts, Fassstärken, getorfte Whiskys sowie Grain und Rye Whiskys – quasi an einem Netto-Tag vor der Brust zu haben, wuchs der Respekt vor dieser Aufgabe. Würde ich dieser Verantwortung überhaupt im vollen Umfange gerecht werden können? Ich hatte Zweifel.

Bisher kannte ich nur Tastings im gewohnten Rahmen von sechs bis acht Proben. Ein weiterer Punkt war für mich aber auch die Frage, ob ein geschmacklicher Gesamteindruck von Farbe, Riechen und Schmecken ohne den Abgang überhaupt vollständig möglich ist. Diese Zweifel äußerte ich offen. Denn um der Masse an Proben begegnen zu können, war an ein Schlucken bei der Verkostung nicht zu denken. Wie sich dann aber herausstelle sollte, waren meine Zweifel unberechtigt. Es war mir sehr wohl möglich, durch Nase und Gaumen die volle Bandbreite des Whiskys zu erfassen – auch für mich eine neue, wertvolle Erfahrung.

Das Ambiente war sensationell. Die Blindverkostung fand im Gewölbekeller der Whiskyerlebniswelt auf der Burg Scharfenstein statt, möglich gemacht vom „Burgherrn“ und Aushängeschild der Destillerie The Nine Springs, Bernd Ehbrecht. Teile des Kellergewölbes waren dabei für die Jury komplett abgeschirmt und nicht zugänglich, da dort die Tasting-Flights in numerischer Abfolge vorbereitet wurden. (Hinweis: ein Flight = eine Verkostungsrunde mit bis zu sieben Proben – diesen Begriff musste ich auch erst einmal lernen). Der Service, das fortwährende Auftischen und wieder Abräumen der Proben funktionierte in perfekter Choreographie. Das Erfassen der Ergebnisse, die Achtsamkeit des Service, die Mahlzeiten neben dem Geschehen usw. waren tadellos organisiert. Kurzum: Uns sechs bzw. zehn Juroren wurde rundum alles abgenommen, und wir konnten uns voll und ganz auf unsere Aufgabe des Verkostens konzentrieren. Akribisch festgehalten wurde die Punktevergabe zu Farbe-Nase-Geschmack und dem Gesamteindruck inkl. der persönlichen Anmerkungen. Im Nachgang wurden die ermittelten Punkte nochmals rechnerisch auf Richtigkeit durch zwei verantwortliche Personen unabhängig voneinander überprüft.

Ich fühlte mich somit in absolut professionellen Händen. Wir als sechsköpfige Hauptjury waren eine homogene Gruppe und es hat enorm viel Spaß gemacht sich darüber auszutauschen. Aber Moment, der Austausch erfolgte natürlich immer erst nach der Punktevergabe eines jeden „Flights“. Während des Verkostens war absolute Ruhe verordnet. Jeglicher Austausch war streng untersagt. Mögliche Beeinflussungen in der Wahrnehmung des jeweiligen Whiskys wurden mit diesen Regeln komplett unterbunden. Selbst etwaige Gesten mussten unterdrückt werden.

An das Tempo der servierten „Flights“ musste ich mich allerdings erst einmal gewöhnen. Allzu lange konnte ich mich nicht bei den einzelnen Proben aufhalten. Ganz anders als in privater Runde mussten das Ergebnis, die Eindrücke und Auffälligkeiten recht schnell zu Papier gebracht werden. Als besonders herausfordernd empfand ich die Verkostung der Fassstärken mit insgesamt fünf Flights hintereinander. Das war für meine Sensorik mit Nase, Gaumen und der Gesamtheit an fordernden Wahrnehmungen doch sehr ambitioniert und bedurfte nochmals einen Schub mehr an Konzentration. Wasser und Brot standen dankenswerterweise nonstop zur Geschmacksneutralisation zur Verfügung.

Am ersten Tag nach den Blindverkostungen, die durch Pausen und einem hervorragenden Dinner im Bistro an der Ringmauer der Burg unterbrochen wurden, wechselten wir über in ein gemütliches Miteinander in der Burg-Bar. Ein würdiger Tagesabschluss! Nun konnten wir uns in aller Ruhe und Intensität zu den erlebten Eindrücken austauschen. Die jeweiligen Flaschen zu den verkosteten Proben vom Tag waren ausgestellt und damit die Rätsel des Tages aufgelöst, was sich bei uns im Glas befunden hatte. Voller Neugier und Überraschungen besichtigten wir die vielen angestellten Whiskys, die sich in unserem Gaumen getummelt hatten.

Und natürlich sind wir jetzt alle sehr gespannt auf das Ergebnis und damit auf die Vergabe der drei Awards am 3. Mai 2024 beim großen Whisky-Festival des VDW bei der Brennerei Schraml in Erbendorf. Wir Juroren haben zwar im Detail unsere Voten abgegeben, aber die Ergebnisse werden für alle bis zur Verleihung geheim gehalten. Es bleibt also spannend bis zum 3. Mai.

Und nun noch mein Fazit: Alles in allem hat es mir riesigen Spaß gemacht ein Mitglied dieser Mammut-Verkostung zu sein. Es existiert wirklich eine enorme Vielfalt an deutschen Whiskys, die wir hierzulande feiern dürfen. Und darauf sollten die deutschen Whiskybrenner stolz sein. Die Schotten produzieren hervorragenden Scotch, sind aber in ihren Möglichkeiten mit Blick auf das Holz und Fässer durchaus beschränkt. Und vielleicht schauen sie da sogar mit etwas Neid auf Deutschland. Ich sage jedenfalls Danke! Die Teilnahme und das Dabei sein war mir eine Ehre und ein Fest.

Annick Seiz, Genussbotschafterin

Mein Votum als Genussbotschafterin

Seit nunmehr 24 Jahren bin ich in der Wines & Spirits Branche tätig und werde regelmäßig als Jurymitglied in nationale und internationale Competitions eingeladen. So auch vor wenigen Wochen zum German Whisky Award auf Burg Scharfenstein, was mir eine riesige Freude und Ehre war. Mit rund 110 Blindproben in etwas mehr als einem Tag und einer extrem versierten Expertenrunde zählte dieser Einsatz wohl zu den „sportlichsten Tasting-Erfahrungen“ meiner bisherigen Laufbahn. Die schiere Anzahl und Vielfalt (von jung bis gereift, mild bis fassstark, ungetorft bis getorft) wie auch der eigene Anspruch erforderten höchste Konzentration vom ersten bis zum letzten Glas. Denn als Juror ist man sich stets der Verantwortung bewusst, welchen Einfluss eine positive wie aber auch kritische Bewertung auf die Vermarktung eines Produktes sowie die Arbeit des Herstellers haben kann.    

Die Bandbreite an eingereichten Proben war enorm, nicht nur im Geschmack, sondern auch in Ausdruck und Qualität. So kenne ich es auch von anderen Competitions und finde es immer wieder erstaunlich, welche Vielfalt es mit Ausschlägen nach oben wie aber auch nach unten in der Whiskywelt zu entdecken gibt.   

Deutscher Whisky kann was, denn es gab sehr viele Proben, die richtig viel Spaß machten. Sie zeigten mit Finesse, Tiefe und handwerklichem Können eindrucksvoll, was Deutscher Whisky vermag. Insbesondere die Rye und Grain Whiskys, die neben den vielen eingereichten Single Malts leider noch eine Minderheit darstellten, schienen besonders gut gelungen.

Da es eine Blindprobe war und somit der Einfluss durch Marke, Flaschendesign und Preis keinerlei Rolle spielte, konnten wir uns voll und ganz auf Duft, Geschmack, die Qualität und den Gesamteindruck konzentrieren. Wir bewerteten hart und ehrlich, aber stets unparteiisch und fair. Ich bin schon sehr auf die Endergebnisse und Medaillen gespannt, die Anfang Mai beim deutschen Whisky Festival des VDW verkündet werden.

Zusammenfassend möchte ich behaupten, dass diese Bandbreite sehr gut aufgezeigt hat, wo der deutsche Whisky aktuell steht und was noch zu tun ist, um den heimischen Whisky weiter nach vorne zu bringen.

  • Kommunikation und „darüber sprechen“ wird neben dem noch wichtigeren Erleben mit allen Sinnen – also Tastings, Trainings & Events – ein zentrales Thema sein, um dem deutschen Whisky den Stellenwert in der internationalen Whiskywelt zu geben, den er verdient.
  • Kontinuität wird der Schlüssel zum Erfolg sein. Wer sich heute eine Fangemeinde schafft, muss mit gezielten Maßnahmen und Produkten dafür sorgen, dass sich diese auch in der Zukunft mit der Marke und allem, was dazu gehört, identifizieren kann.

Herzlichen Dank, dass ich dabei sein durfte, sowohl für das großartige Genusserlebnis als auch die tolle Stimmung im Team und die perfekte Organisation in einer unfassbar schönen Location.

Marc Fiederer, Gründer von Alles-rund-um-Whisky-e-y

Anstrengend, aber perfekt, so wie es war

Kann sich das einer vorstellen? Heinfried Tacke steht auf dem Display meines Handys. Nicht unbedingt außergewöhnlich. Ab und an telefonieren miteinander. Außergewöhnlich war dieses Mal nur der Grund des Anrufes. „Marc“, sagte Heinfried zu mir, „könntest Du Dir vorstellen, dieses Jahr mit in der Jury des German Whisky Award 2024 zu sitzen und bei der größten Blindverkostung Deutscher Whisky dabei zu sein?“  Puuh! Ganz ehrlich. Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber ich fühlte mich geschmeichelt. Und natürlich wollte ich. Nach ein paar Telefonaten, um den nötigen Urlaubstag zu organisieren, konnte ich so schon am nächsten Tag fest zu sagen.

Ich habe aber noch eine Vorbemerkung: Könnt ihr Euch übrigens ebenso vorstellen, wie sehr es einer Labertasche wie mir es schwer fällt, wenn man die komplette Zeit bei einer Blindverkostung nicht reden darf, um ja nicht die anderen Juroren zu beeinflussen? Das war eine echte Herausforderung. Aber richtig so!

Als dann der Tag endlich gekommen war, machte ich mich auf nach Leinefelde-Worbis, auf die Burg Scharfenstein. Auch der Besuch dort war für mich eine Premiere. Eine gelungene, wie ich bemerken möchte. Ich liebe Burgen und Schlösser. Und ich liebe Whisky. Somit war meine Achillesverse mehr als getroffen. Die Burg ist wunderschön, das Boutiquehotel mit seinen wunderschönen Zimmern hat es mir schwer gemacht „meine Räume“ überhaupt verlassen zu wollen. Nach einem leckeren 3-Gänge Menü zum Auftakt am Samstag ließen wir den ersten Abend in der Burgfried-Bar ausklingen. Ein paar schöne Stunden mit großartigen Gesprächen. Fachsimpelei, allerhand neue Informationen und viel Gelächter ließen erahnen: Das Team passt verdammt gut zusammen.

Am 1. Tag der großen Blindverkostung konnten wir uns nach einem reichhaltigen Frühstück mental und physisch allmählich auf den Verkostungs-Marathon einstellen. Im Lokal Ringmauer habe ich mich noch vorher vorzüglich kulinarisch versorgen lassen, um dann voller Tatendrang und gestärkt ans Werk gehen zu können. Im Burgkeller war die große Tafel bereits vorbereitet und nach einem kurzen, professionellen Briefing ging es auch schon ans Werk. Sechs ausgewählte und vor allem whiskyaffine Personen in der Hauptjury; dazu, räumlich davon getrennt, die vier Mitglieder der Jury des VDW, von denen aber nur der Durchschnittswert von allen Vier als siebte „Note“ in die Gesamtwertung einging. Ansonsten: Bei über 100 Proben sämtlicher Kategorien war keine Zeit für große Schlampereien. Zumeist gab es 7 Whiskys in einem Flight mit knapp 30 Minuten Zeit für Nosing, Verkostung, Notizen und Bewertung. Mit solch einer Vorgabe wird einem schnell klar, das wird hier kein Spaziergang. Unter der Anleitung und Aufsicht durch Heinfried Tacke wurde derart stillschweigend ein Flight nach dem nächsten verkostet.

Kurzum: Der Ablauf der kompletten Verkostung am Sonntag wie am Montag war in meinen Augen sehr straff und hochprofessionell organisiert. Auch dieses hatte ich mir so nicht vorher ausgemalt. Ich will aber ausdrücklich betonen, dass ich es nicht als störend empfand. Im Gegenteil. Wenn man von 14 bis 22.30 Uhr fast ununterbrochen verkostet (nur unterbrochen durch eine Kaffeepause und Abendessen), dann geht das gar nicht anders, als dass man professionell arbeitet. Wunderbar unterstützt wurden wir hierbei durch das Team der Destillerie. Das Anstellen der Proben, das Abräumen der Gläser und die Versorgung mit Wasser und Brot lief zu jeder Zeit problemlos und zügig. Gegen Abend am Sonntag wurde es aber dann doch auch konditionell recht anspruchsvoll. Die Reihe der fassstarken Abfüllungen, derer es fünf gab, forderte irgendwann ihren Tribut bei uns Juroren und wir waren sichtlich erleichtert, als uns schließlich der letzte des Abends angekündigt wurde. Es war dann in der Tat einer der wenigen Abende, an denen ich keinen Whisky mehr wollte. Eigentlich unvorstellbar.

Tag 2 begann wieder mir einem Frühstück als Grundlage und schon fast routiniert mit den weiteren Kategorien, die es zu bewerten galt. Der letzte Tag lief wie geschmiert auf Grund der nicht mehr so sportlichen Anzahl an Proben. Insofern halte ich gerne abschließend fest. Die Nominierung als Teil der Jury dieser bisher größten Blindverkostung Deutscher Whiskys empfinde ich ohne Frage nicht nur als eine Ehre und sondern als einen großen Gewinn. Wer nun aber meint, dies sei nur ein bloßer Spaß, der hat sich geschnitten. Mit einem exakt geplanten Drehbuch tanzte das Whiskyballett in vorgegebener Choreografie. Ich war überwältigt von der schieren Menge, der Professionalität, aber auch von den je eigenen Expertisen der Teilnehmer, die sich in den vielen spannenden Gesprächen danach und davor äußerte. Dieses Erlebnis bleibt für mich einzigartig.

Ich bedanke mich für die Möglichkeit, solch einem Gremium beiwohnen zu dürfen. Die Herzlichkeit im Team und die Gasfreundschaft der Lokation sucht seines Gleichen. Für mich war es anstrengend, aber perfekt, so wie es war.

Ähnliche Themen

Heinfried Tacke

Hier schreibt Heinfried Tacke, Begründer Whisky Guide Deutschland und Keeper of the Quaich.