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  • Beitrag zuletzt geändert am:26. August 2023

Destillation, Teil 1: Pot Still Batch Verfahren

Von Dr. Heinz Weinberger

Nach der alkoholischen Gärung wird die erhaltene, leicht alkoholische Wash in kupfernen Brennblasen, den Pot Stills, destilliert. Die beiden Hauptkomponenten – Wasser und Ethanol – dominieren dabei den Destillationsprozess. Bei der Herstellung von Single Malt wird in Schottland diskontinuierlich – d. h. im sog. Batch-Verfahren – sowie mindestens zweimal destilliert. Manche Brennereien führen diesen Vorgang sogar dreifach durch. Aber warum ist das so? Warum reicht eine einmalige Destillation nicht aus, die beiden Flüssigkeiten voneinander zu trennen? Der Trinkalkohol Ethanol siedet doch bereits bei 78,3°C und somit bei einer deutlich niedrigeren Temperatur als Wasser (100°C). Er ist also leichter flüchtig, verdampft eher und sollte sich somit durch Destillation vom Wasser komplett abtrennen lassen. Beherrschen etwa die Schotten ihr Handwerk nicht richtig? Weit gefehlt!

„Schuld“ daran ist die Thermodynamik. Die Ursache liegt ganz einfach darin, dass Wasser und Ethanol ein nicht ideales Flüssigkeitsgemisch bilden. Das heißt, die Mischung verhält sich anders als die jeweiligen Reinstoffe alleine. Dies hat auch Auswirkungen auf das Destillationsverhalten der Mischung, denn die Dampf-Flüssigkeits-Gleichgewichte von Wasser und Ethanol sind ebenfalls nicht ideal. Um das besser verstehen zu können, sehen wir uns das Siedediagramm von Wasser-Ethanol-Mischungen an. In einem Siedediagramm wird der Siedepunkt einer Mischung bei konstantem Druck (z. B. Atmosphärendruck, 1 bar) in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der flüssigen Mischung dargestellt. Der Einfachheit halber ist die Zusammensetzung der Mischung (hier die x-Achse) schematisch in Volumenprozent angegeben, die aus der ursprünglichen Zusammensetzung (Molenbruch bzw. Gewichtsprozent) errechnet wurde. Die senkrechte Achse (y-Achse) im Siedediagramm zeigt die Temperatur an. Siedediagramme bestehen generell aus zwei Kurven: einer Siedekurve und einer Kondensationskurve. Die Siedekurve gibt den Siedepunkt der flüssigen Mischung an, in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Zusammensetzung. Die Kondensationskurve hingegen beschreibt die Zusammensetzung der siedenden Mischung im Dampf, also in der Gasphase.

Verfolgen wir nun die blaue Kurve im Siedediagramm: Der Gehalt an Ethanol liegt in der Wash bei etwa 7 Volumenprozent (Vol-%, Punkt A). Erhitzt man die Wash, so steigt die Temperatur an und das Gemisch siedet schließlich bei etwa 94°C (Schnittpunkt der blauen Geraden mit der Siedekurve, Punkt B). Die entsprechende Zusammensetzung des Dampfes bei dieser Temperatur TB erhält man, wenn man von B ausgehend eine Gerade parallel zur x-Achse legt. Von deren Schnittpunkt mit der Kondensationskurve (Punkt C) und dem senkrechten Lot von C auf die x-Achse ergibt sich nach Abkühlung ein maximaler Gehalt an Ethanol im Destillat von etwa 45 Vol-% (Punkt D). Da Ethanol flüchtiger ist als Wasser, reichert es sich also im Destillat an: von 7 Vol-% auf ca. 45 Vol-%. Dies gilt jedoch nur zu Beginn, denn die Menge von Ethanol in der flüssigen Phase sinkt während der Destillation, da ja mehr Ethanol verdampft als Wasser (der Punkt A wandert somit nach links in Richtung 0 Vol-% Ethanol). Das heißt, das Gemisch in der Brennblase hat einen immer niedrigeren Anteil an Ethanol, siedet immer höher und die Menge an Ethanol im Dampf nimmt ebenfalls ab. Am Ende der ersten Destillation erhält man somit ein Gesamtdestillat („Low Wines“) von durchschnittlich etwa 20-25 Vol-% Ethanol. Vor der zweiten Destillation in der sog. Spirit-Still gibt man den Vor- und Nachlauf aus dem vorangegangenen, zweiten Brennvorgang zu den Low Wines dazu. Dies hat zur Folge, dass der Gehalt an Ethanol auf ungefähr 28-30 Vol-% wieder ansteigt (Punkt E). Anschließend wird das zweite Mal destilliert (grüne Kurve). Gemäß dem Siedediagramm siedet dieses Gemisch bei etwa 86°C (Temperatur TF am Punkt F), und die Zusammensetzung des Destillats beträgt etwa 75-80 Vol-% (über Punkt G zu Punkt H). Die absoluten Prozentwerte mögen ein wenig von der Realität abweichen, da diese zum einen berechnet sind. Zum anderen bestehen die Wash und die Low Wines zwar hauptsächlich aus Wasser und Ethanol, enthalten daneben jedoch Tausende verschiedene Verbindungen, die Einfluss auf das Siede- und Kondensationsverhalten nehmen können.

Eine weitere Besonderheit des Wasser-Ethanol-Gemisches ist, dass bei etwa 96 Vol-% Ethanol und 4 Vol-% Wasser (Punkt I) Dampf und Flüssigkeit dieselbe Zusammensetzung besitzen. Das heißt, diese Mischung verhält sich hinsichtlich des Siedens wie ein reiner Stoff. Man spricht in dem Fall von einem sog. Azeotrop (= konstant siedend). Dieses 96:4-Gemisch siedet am Punkt K (azeotroper Punkt) bei 78,14°C und somit niedriger als die beiden reinen Stoffe. Diese Eigenschaft hat zur Folge, dass Ethanol und Wasser durch Destillation bei Atmosphärendruck nicht zu 100% voneinander getrennt werden können.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass der höchste Gehalt an Ethanol im Destillat, der in der Wash noch mit 7 Vol-% vorliegt, nach einmaliger Destillation maximal 45 Vol-% beträgt und das auch nur zu Beginn der ersten Destillation. Im weiteren Verlauf der diskontinuierlichen Destillation in den Pot Stills nimmt dieser stetig ab. Daher ist ein zweiter Brennvorgang erforderlich, um höhere Volumenprozente an Ethanol
zu erzielen.

Dr. Heinz Weinberger

Der promovierte Chemiker und Whisky-Connaisseur Dr. Heinz Weinberger befasst sich unter anderem mit den wissenschaftlichen Hintergründen und chemischen Vorgängen rund um das Thema Whisky.