Es gab eine schöne Einladung für den Whisky Guide. Es ging nach England, zu Nyetimber (Sparkling Wine) und The Lakes Distillery (Whisky). Zwei spannende Projekte, die innerhalb der Nyetimber Group zusammengehören und spannende Synergien beim Whisky nutzen (Élevage). Tja, und da wir Anfang November noch mit dem Buch zu tun hatten, war für uns Daniela Brack mit on Tour…
Die Landschaft Sussex’ ist jetzt, im Licht des herbstlichen Novembers, ein buntes Federbett – noch sporadisch gelbbelaubte Birken wiegen sich im Wind, die Landschaft spiegelt sich in sanften Grau- und Grüntönen und das Licht tastet sich über die Rebenreihen, die wie akkurat gekämmtes Haar zum Horizont streben.


Das Nyetimber Estate und ihr Sparkling Wine
Nyetimber Estate, berühmt für seinen englischen Sparkling Wine, liegt eingebettet in diese stille Melancholie – ein Ort, an dem Zeit nicht eilt, sondern ihren eigenen Takt schlägt. Hier beginnt die Reise durch das Herz des englischen Sparkling Wine.
Im Herrenhaus wirkt alles wie aus der Zeit gefallen – Kalksteinwände, Eichenbalken, ein Hauch von Jane Austen. Doch was Nyetimber zu einer Ikone des globalen Weinbaus macht, wurzelt tiefer: kompromisslose Leidenschaft, angesiedelt zwischen Tradition und Innovation. Head Winemakerin Cherie Spriggs nimmt mich mit auf eine Reise durch ihre Philosophie, die sich in jedem Glas widerspiegelt: Der Verzicht auf Traubenzukauf, die Arbeit mit streng selektierten Parzellen, die strikte Einhaltung der Méthode Traditionelle, und das lange Hefelager – all das macht die Sparklings „Nyetimber“ zu einem Erlebnis jenseits bloßer Perlage. Die Komplexität zwischen Brioche, Zitrus, Bratapfel und Salz spiegelt den Charakter der kühlen, nördlichen Weinberge wider, in denen die Reben trotz des rauen Klimas Großes leisten.
Und dann, auf den nördlichen Straßen Englands, ändern sich Takt und Ton der Reise. Die Eisenbahn zieht vorbei an Regen und Mooren, bis zur The Lakes Distillery am Rande des Lake District, wo das Licht rauer und das Wasser weicher ist.



The Lakes Distillery und Kunst der Élevage
Was Nyetimber und die The Lakes Distillery auf den ersten Blick trennt – die südenglischen Reben gegenüber dem nordenglischem Whisky – verbindet sich auf tiefer Ebene durch die genuine Nachbarschaft von Weinwirtschaft und Whisky-Brennen in Großbritannien. Die Erfahrung im Weinbau bringt ein feines Gespür für Terroir, Reifezeiten und Fassmanagement mit sich, das heute vermehrt in der Kunst der Whiskybrennerei nutzbar gemacht wird.
Bei The Lakes zeigt sich diese Symbiose besonders deutlich: Hier wird nicht nur die lokale Kornqualität geschätzt, sondern auch das Wissen über die Auswahl und Handhabung verschiedener Holzarten aus dem Weinkellerbereich genutzt. Die Kunst des „Élevage“, die den kontinuierlichen Fasswechsel und die Aggregation von Aromen in den Vordergrund rückt, könnte als eine Art „Weinwirtschaft im Whisky“ verstanden werden – eine Brücke, die zwischen beiden Welten schlägt und traditionelle Grenzen sprengt.
„Don’t let the whisky sleep on the job“,
Grace Frith, sensorischer Mastermind der The Lakes Distillery
Die The Lakes Distillery setzt auf „Élevage“, eine Technik, die aus dem Cognac stammt (siehe unten), bei der das Destillat während der Reife gezielt bewegt wird, manchmal über zwanzig Fasswechsel hinweg. Ziel: Eine Tiefe, wie sie sonst Jahrzehnte bräuchte — orchestriert in wenigen Jahren. „Don’t let the whisky sleep on the job“, sagt Grace Frith, neben Whiskymaker Brendan MacCarron sensorischer Mastermind der The Lakes Distillery. Das Ergebnis ist ein lebendiger, vielschichtiger Tropfen mit Noten von Pflaumen, Mokka und Wildhonig, der die Landschaft des Lake Districts ebenso erzählt wie die Technik eines bewussten Reifungsprozesses.
Hier, zwischen Mooren und Bergen, lebt nicht die Romantik der alten Welt, sondern ein Aufbruch, der englische Whisky neu träumt: Élevage als Seelenarbeit, Nyetimber als Prickeln der englischen Seele, beide als Orte, an denen Handwerk nicht stehen bleibt, sondern leise, aber unaufhaltsam nach vorn greift.
Exkurs: Das Prinzip der Élevage
Wo Handwerkskunst seit Jahrhunderten perfektioniert wird, bleibt es nicht aus, dass sich Methoden für ähnliche „Gewerke“ begegnen. Ein Beispiel dafür ist die „Élevage“, ein seit Jahrhunderten in der Cognac-Region praktizierter Ansatz zur optimalen Reifung der dortigen Brände. Élevage ist dabei – ganz im Gegensatz zur traditionell eher „stationären“ Fassreifung beim Whisky – ein gezielt gesteuerter Reifungsprozess.
Der Kellermeister entscheidet, wie und wo das Destillat im Fasslager bewegt wird, welche Fässer für welchen Brand verwendet werden und wie das Fassmanagement erfolgt. Dazu zählen auch Maßnahmen wie das Umpumpen in ältere oder jüngere Fässer, das Blending unterschiedlicher Jahrgänge oder Reifestadien sowie die Kontrolle von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Sauerstoffeintrag. Ziel ist eine gesteuerte Aromenbildung, die harmonische Entwicklung von Charakter, Komplexität und Textur – im Gegensatz zur Lagerung („Reifung“) ohne gezielte Eingriffe.
Bei der The Lakes Distillery nutzt man die Élevage-Methode gezielt, um mit verschiedenen Fassarten wie Ex-Bourbon und vor allem Sherry-Fässern ausgeprägte Geschmackstiefen zu erzielen. Die Vorteile der Élevage liegen in der gezielt steuerbaren Geschmacksentwicklung, der Möglichkeit mehr und komplexere Geschmacksebenen zu erzeugen und der schnelleren Reifung. Ob dies den damit verbundenen höheren Aufwand an Fässern und Arbeit, die zusätzlichen Kosten und das Risiko einer Übersteuerung des natürlichen Geschmacksbilds überwiegt, wird sich für Produzenten und Genießer noch zeigen müssen. Für den Moment versprechen Élevage-Whiskys vielfältigere und ausgewogenere Aromen – und ein handwerkliches Profil der anderen Art.
The Lakes Distillery
Setmurthy
Bassenthwaite CA13 9SJ
Großbritannien
E-Mail: [email protected]
www: www.lakesdistillery.com







