Von Margarete Marie
Sugar and Rum
Die ersten Europäer, die sich dauerhaft in Amerika niederließen, waren die Spanier. Franzosen, Engländer, Auch in den kolonialen Rum-Brennereien der Karibik hielt der Doubler Einzug. Hier ist er zumeist unter dem Namen „Cornue“, „Retort“ oder „Bubbler“ bekannt. Aber nicht überall in der Karibik finden wir ihn, und seine Herkunft ist bis heute nicht wirklich geklärt.
20. Yo Ho Ho and a Bottle of Rum
Kaum ein Getränk hat die Weltgeschichte so bewegt wie Rum. Seine Entstehungsgeschichte ist eng mit den kolonialen Zuckerrohr-Plantagen in der Karibik verbunden. Von Maine bis Jamaika wurde er überall entlang der amerikanischen Ostküste getrunken, und als Piraten-Schnaps und Navy-Rum ist er Teil der Seemanns-Folklore geworden. Auch in den englischen und schottischen Zuckerhäusern wurde er gebrannt, und die amerikanischen Moonshiner kennen bis heute Rezepturen für eine „Sugar-Mash“. Über Rum kann man ganze Bücher schreiben.
Traditionell wurde Rum mit einer einfachen Pot Still destilliert. Der erste Brennvorgang ergab die alkoholschwachen Low Wines, die in einem zweiten Brenndurchgang noch einmal destilliert wurden. Noch 1815 wurde diese Art der Destillation in der Karibik als allgemein üblich beschrieben.
Die Erfinder des Rums sind wahrscheinlich Holländer und Portugiesen gewesen. Erste Erwähnungen von Rum-Destillation finden sich bereits 1637, als der Holländer Pieter Blower von Brasilien nach Barbados reiste und im Gepäck Zuckerrohr-Samen und eine Brennblase hatte. Er soll als erster auf der Insel den Anbau von Zuckerrohr eingeführt haben. Pot Still und Kühlschlange waren zu diesem Zeitpunkt in Europa bereits seit längerem bekannt.
Auf der französischen Insel Martinique wird die Einführung der Rum-Destillation im Jahre 1644 Benjamin Da Costa zugeschrieben, einem Portugiesen mit Verwandtschaft in Amsterdam. Die frühen Zuckerhäuser konnten den Zucker nur unzulänglich aus dem Saft des Zuckerrohrs gewinnen. Die Melasse, die am Ende übrigblieb, enthielt immer noch so viel Zucker, dass man daraus eine Maische ansetzen und destillieren konnte. Ein anderes Nebenprodukt, die sogenannten „Skimmings“ fanden ebenfalls bei der Destillation Verwendung, aber auf die Produktionsweise von Rum will ich an dieser Stelle nicht eingehen.
21. Flensburger Rum
Neben Holländern, Franzosen, Engländern, Schotten, Spaniern und Portugiesen tummelten sich auch Dänen seit 1672 in der Karibik. Sie bewirtschafteten vor allem auf den Inseln St. Thomas und St. Croix ausgedehnte Zuckerrohrplantagen. Flensburger Handelshäuser profitierten vom dänischen Zuckerhandel, und Flensburger Schiffe segelten regelmäßig zu den Hafenstädten der dänischen Antillen-Inseln, wo sie Zucker, Melasse und Rum erwarben. Zwischen 1833 und 1839 kam im Schnitt alle drei Wochen ein Schiff mit westindischem Zucker, Melasse und Rum in Flensburg an. Der Flensburger Westindien-Speicher erinnert noch heute an diese Zeit. Auch Deutschland hat seine kleine Rum-Geschichte.
Eine der Plantagen, die Zucker nach Flensburg lieferten, war die Whim Plantation auf St. Croix. Da sie heute ein Museum beherbergt, ist ihre Geschichte gut dokumentiert. 1751 kam Christopher MacEvoy aus Schottland nach St. Croix, und baute die Whim Plantation auf. 1776 beantragte er die dänische Staatsbürgerschaft und erwarb zwei großzügige Herrenhäuser in der Nähe von Kopenhagen. Sohn Christian eröffnete in Kopenhagen eine Zuckerraffinerie und ein Handelshaus. Es waren goldene Zeiten für die Zuckerbarone.
Während sich in Europa die Brennanlagen zwischen 1801 und 1830 im Eiltempo zu technologisch hoch komplexen, komplizierten Anlagen entwickelten, blieben die Brennapparate auf den kolonialen Plantagen sehr schlicht. Der Grund waren nicht etwa die hohen Anschaffungskosten. Vielmehr hielt man es nicht für möglich, dass Sklaven in der Lage seien, die komplizierten Anlagen zu bedienen.
Die Abschaffung der Sklaverei zwischen 1834 und 1848 auf den Karibik-Inseln und die neue Konkurrenz durch die Zuckerrübe führten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer langanhaltenden Wirtschaftskrise in der Karibik. Viele Plantagenbesitzer verließen die Inseln. Mit ihrem Rückzug setzte auch eine Kapitalflucht ein. An Modernisierung und Neuanschaffung von Brennapparaten war in den folgenden Jahrzehnten bei ständig sinkenden Zuckerpreisen kaum noch zu denken. Von den technologischen Entwicklungen, die die europäische Brennanlagen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts revolutionierten, kam in der Karibik kaum noch etwas an.
Auch die MacEvoys gaben um 1880 ihre Plantagen auf. Leider weiß ich nicht, wann die Brennerei auf Whim geschlossen wurde, doch von der letzten Brennanlage ist ein Bild erhalten. Die Anlage war recht schlicht und bestand aus einer Pot Still, einem Doubler mit Rektifizierungs-Aufsatz und einer Kühlschlange. (Bild 48) Sie weist große Ähnlichkeit auf mit einer Anlage, die 1868 von der schottischen Firma Blair, Campbell & MacLean in Glasgow gebaut wurde. (Bild 47) Einen Double Bubbler finden wir hier leider nicht, die Anlage der Whim Distillery war entweder zu modern, oder zu europäisch. Für einen echten Double Bubbler müssen wir woanders suchen.
22. Viele Fragezeichen auf Martinique
Die Franzosen beherzigten ganz klar die Empfehlung, dass man die Brennanlagen auf den Plantagen einfach halten sollte. Während die Brennapparate in Frankreich immer komplexer wurden, waren sie in der Karibik besonders einfach, und bestanden häufig nur aus Alembic und Kondensierer. Hier ein Beispiel der Firma Egrot mit typisch langgezogenem Helm:
Dennoch war auf Martinique der Doubler bekannt, wie eine Zeichnung aus dem Werk von Desiré Kervegant zeigt. Typisch ist der langgezogene Hals der Brennblase, die nach Pére Labat benannt war.
Die Labat-Brennblase gibt bis heute Rätsel auf. Labat war ein Dominikaner-Mönch aus Nancy, der am 29. Januar 1694 auf Maritinique ankam und hier missionarisch tätig war. Dazu gehörte auch, dass man die Bevölkerung medizinisch unterstützte, und bei der Entwicklung der Landwirtschaft mithalf.
Bereits 1752 war Rum ein fester Bestandteil bei der Zubereitung von Arzneimitteln gegen tropische Krankheiten geworden, wie die folgende Rezeptur von 1752 gegen die sogenannte Himbeerseuche (englisch Yaws) belegt:
Hat Labat die Doubler-Anlage von Glauber gekannt, die 1648 bei Ärzten und Apothekern in Amsterdam benutzt wurde? Hat Labat 1694 den Doubler auf Martinique eingeführt? Hat er den Einwohnern von Martinique, den Sklaven und Mulatten gezeigt, wie sie damit Alkohol für medizinische Tinkturen machen konnten?
Oder bezieht sich der Name lediglich auf den langgezogenen Helm der Brennanlage? War der doppelte Doubler eine spätere Ergänzung zur ursprünglichen Labat-Brennblase? Wieder einmal stoßen wir auf mehr Fragen als wir Antworten finden. Noch immer liegt der Ursprung der Labat-Brennblase im Dunkeln.
23. Der Double Bubbler
Moderne Brenntechnologie hat inzwischen auch in der Karibik Einzug gehalten, und die Captain Morgan Rum-Fabrik von Diageo auf St. Croix ist eine hochmoderne Säulen-Anlage.
Auf anderen Inseln gibt jedoch noch etwa 20 Betriebe, die auf den gleichen wuchtigen Anlagen brennen wie sie vor 200 Jahren in der Karibik benutzt wurden: mit einer Pot Still und einem Double Bubbler. Wer schon einmal eine solche Rumbrennerei auf Jamaika besichtigt hat, war mit Sicherheit beeindruckt von den urtümlich wirkenden Pot Stills und ihren zwergenhaften Gefährten. Sie wirken, als kämen sie aus einer anderen Zeit und das tun sie auch.
Neben einer klassischen Pot Still verfügen sie meist über zwei Doubler, die hier „Bubbler“ oder „Retort“ genannt werden wegen der Klopfgeräusche, die beim Aufprallen des heißen Dampfs auf die kalte Flüssigkeit im Gefäß entsteht. Der „Double Bubbler“ ermöglicht in Kombination mit der Pot Still eine dreifache Destillation in nur einem Brenndurchgang.
Schöne Exemplare einer “Double Bubbler”-Pot Still-Brennanlage findet ihr z. B. bei Hampden Estate/Jamaika, Appleton/Jamaika, Mount Gay/Barbados, River Antoine/Grenada, Long Pond/Jamaika, Foursquare/Barbados oder Clairin/Haiti. Die El Dorado Brennerei in Guyana besitzt sogar noch alte Brennanlagen aus Holz.
Auch die neue Renegade Distillery von Mark Reynier besitzt neben der heutzutage üblichen Säulenanlage eine klassische Pot Still mit „Double Thumper“, die er „Adam Still“ nennt zur Erinnerung an den Mann, der 1801 in Montpellier das Prinzip des Doublers entdeckt hatte.
Aber gehen die Brennblasen in der Karibik tatsächlich auf Adam zurück? Weder in Frankreich noch im restlichen Europa konnten sich Brennanlagen mit Doubler durchsetzten. In den USA und in der Karibik hingegen wurde der Doubler sehr populär. Was hat diese unterschiedliche Entwicklung bedingt?
Vielleicht finden wir auf Jamaika die Antwort auf unsere Fragen.
24. Triple Thumper in Jamaica, Fettercairn und Aberdeen
Als sich in Schottland die Steuergesetze 1823 änderten, begannen auch die Schotten, sich für eine neue Destillations-Technologie zu interessieren. William Shand erhielt im August 1829 ein Patent für eine Anlage mit einer Pot Still und drei Thumpern für eine vierfache Destillation. Die Gefäße waren aus Holz gearbeitet, sie besaßen jedoch als Aufsatz einen Brennhelm aus Kupfer mit einer Rohrverlängerung.
Shand hatte die Idee zu dieser seltsamen Anlage aus Jamaika mitgebracht. Wie viele andere Schotten auch hatten die Shands auf den Sklavenfeldern in der Karibik ihr Glück gesucht und gefunden.
Von 1817 bis 1822 war William der Manager mehrerer Plantagen auf Jamaica, wo er ca. 20.000 Sklaven beaufsichtigte. Williams Bruder John Shand hatte 1809 die Zuckerrohrplantage Bellmonte Estate auf Jamaica erworben. Von dem erwirtschafteten Gewinn der Plantage erwarben die Shands 1814 die Ländereien Burn und Arnhall bei Fettercairn.
Während in Jamaica heute der „Double Bubbler“ üblich ist, verwendete Shand in guter schottischer Lowland-Manier einen „Triple Bubbler“. Die Anlage ergab einen Whisky „frei von dem üblen Geruch, welchen man bei frisch destilliertem Whisky gewöhnlich bemerkt“, wie ein Zeitgenosse vermerkte, und wurde in der Gilcomston-Brennerei bei Aberdeen, in der Glenmurray Distillery bei Stirling sowie bei Fettercairn errichtet.
Shands neue Brennanlage wirkt wie eine Kreuzung aus schottischen Schwanenhals-Pot-Stills und karibischen Holzbrennblasen, die den zylinderförmigen Holz-Doublern in Nord-Amerika sehr ähnlich sind. Shands Anlage scheint zu diesem Zeitpunkt auf Jamaika ein Novum zu sein.
Fünf Jahre zuvor, 1823, beschreibt Thomas Roughley in seinem Buch „The Jamaica Planter‘s Guide“ noch eine klassische Destillieranlage mit einer Low Wine Still und einer Spirit Still (Rum Still), die in zwei getrennten Brennvorgängen bedient werden. Eine Retorte oder einen Doubler erwähnt er mit keiner Silbe. Er empfiehlt stattdessen die schnellen, flachen Brennblasen der Rapid Distillation, die zu diesem Zeitpunkt in Schottland noch weit verbreitet waren und kostengünstig gearbeitet haben, aber qualitativ einen schlechten Ruf hatten.
Nur wenig ist über die Brennblasen der Karibik in dieser Zeit bekannt. Woher kannte Shand den hölzernen Thumper Keg? Kannte Shand die Anlagen der Amerikaner? Oder hatte er solche hölzernen Brennapparate auf Jamaika gesehen?
War Shand der erste, der den Doubler auf Jamaica einführte? Oder war er der erste, der eine schottische Pot Still mit mehreren Doublern kombinierte? Wir wissen es nicht, aber 20 Jahre nach Shand ist der Double Bubbler auf Jamaika keine Seltenheit mehr.
W.F. Whitehouse war viele Jahre Manager auf verschiedenen Zuckerrohr-Plantagen auf Jamaika, und von ihm erhalten wir 1845 genauere Informationen:
„The Estates I lived on as a Bookkeeper, and where I made good crops, had two retorts, consequently the liquor was put in the still, the weak low-wines into the first retort, and the strong wines into the second retort, and the returns were good.“
(Die Güter, auf denen ich als Buchhalter lebte und wo ich gute Ernten erzielte, hatten zwei Retorten, folglich wurde der Schnaps in die Destille gefüllt, die schwachen „Low-Wines“ in die erste Retorte und die „Strong Wines“ in die zweite Retorte, und die Ausbeute war gut.)
Besaß die Plantage eine Brennalage mit nur einer Retorte, so empfahl er, die Ausbeute fünf Tage zu sammeln und dann gemeinsam ein weiteres Mal zu destillieren. (Agricola’s Letters and Essays on Sugar-Farming in Jamaica, 1845, S. 127)
Aus dem Bericht von Whitehouse wird deutlich, dass sowohl der einfache Thumper Keg als auch der Double Bubbler Mitte des 19. Jahrhunderts auf Jamaica Standard waren.
Drei Jahre später veröffentlicht Leonard Wray sein Buch über Zucker-Rohrpflanzungen, und auch bei ihm erfahren wir etwas über die Brennblasen jener Zeit: je nach Lust und finanziellen Möglichkeiten konnte ein Pflanzer aus einer Vielzahl von verschiedenen Systemen auf Jamaica wählen.
Englische Plantagenbesitzer bevorzugten oft die ein- oder zweisäulige Patent-Still von Shears & Sons oder die Patent Still von Mr. Coffey. Französische Pflanzer wählten eher die Säulen-Anlagen von Blumenthal oder Langier. Die dominierende Brennanlage war jedoch der Double-Bubbler.
Bis 1820 findet sich nirgendwo ein Hinweis, dass es den Doubler auf Jamaica gab. Zwei Jahrzehnte später ist er eine Selbstverständlichkeit geworden und 1850 hat er sich überall in Nord- und Mittel-Amerika ausgebreitet. Aber nirgendwo ist der Doubler so schön wie in der Karibik. Der Double-Bubbler ist eine Klasse für sich.
Der Ausblick:
Teil 6: Der Abschluss der Reihe – Die Gretchenfrage